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Archiv-Artikel

bücher aus den charts Emanzipation sieht anders aus

Warum nur? Warum ist es immer wieder diese Art Buch von und für und über Frauen, die es unweigerlich in die Buchcharts schafft? Gibt es hierzulande wirklich so viele Leserinnen, die sich in einer zum Klischee geronnenen Mischung aus humorvoll gemeinten Selbstherabsetzungen und einem plappernden Sprechen wiederfinden? Die sich durch Formulierungen wie „dieser schlaffe, schlabbernde fleischige Umhang, den ich einst meinen Körper nannte“ beschrieben wissen wollen und all das gern lesen? Muss wohl so sein, denn Joanne Fedlers Roman „Weiberabend“ rangiert zurzeit auf Platz 14 der Bestenliste.

Zur Abwechslung geht es diesmal aber nicht um den chaotischen Großstadtsingle auf der Suche nach Mr Right, sondern um acht befreundete Mütter zwischen 37 und 43 Jahren, die sich auf einer Pyjamaparty in Sydney offen über ihren Alltag austauschen. Der Clou ist ihre Unterschiedlichkeit: Von der Geschäftsfrau, die restlos alles, inklusive der Kindeserziehung, delegiert, über die „sexuell ausgehungerte“ Alleinerziehende bis hin zur Übermutter, die neueste wissenschaftliche Theorien umgehend studiert, um „risikobehaftete Situationen“ auszuschließen, sind alle Typen vertreten. Sie sprechen über ihre Müdigkeit, plärrende Kinder im Wartezimmer beim Arzt und die Angst davor, eine schlechte Mutter zu sein.

Zugegeben – selten genug steht dieses Thema im Zentrum eines Romans. Und es gibt einige wenige Momente in diesem Buch, in denen der Tonfall auf der Höhe mit seinen durchaus existenziellen Themen ist, etwa wenn die Erzählerin Jo bemerkt: „Kinder zu bekommen hat mich verletzlicher gemacht, als ich mir je vorstellen konnte.“ Der Rest präsentiert jedoch in sehr schlichter Sprache eine schwer erträgliche Form von vermeintlich weiblicher Kameraderie. Die definiert sich über sonst eher tabuisierte Aspekte von Geburt und Muttersein, um dann regressiv umzuschlagen. Dann führt die „Wir sind hier unter uns“-Atmosphäre zu Geständnissen in Sachen „Hängebauch“ und einer „Frühpensionierung in Sachen Sexappeal“. Offenbar ist das alles sehr erheiternd, auf die Erzählerin jedenfalls wirkt das „zügellose, brüllende Gelächter“ ihrer Freundin Hel so ansteckend, dass sie „sich selbst ins Höschen“ macht.

Sind die Männer in den Gesprächen deshalb kaum präsent, weil diese Mischung aus Abgeklärtheit und zelebriertem Mädchentum sie in die Flucht geschlagen hat? Der Gedanke drängt sich auf. Und merkwürdig – auch wenn die Mütter hier deutlich formulieren, dass sie sich oft vor den unerbittlichen Blicken der Gesellschaft in der Defensive wähnen und unter ihrer vermeintlichen Unzulänglichkeit leiden, so urteilen sie ihrerseits freimütig über andere. Kinderlose etwa glaubten, „das Leben sei eine Aneinanderreihung erwachsener Dinnerpartys ohne Schweinerei und Gerangel“. Schamlose Hedonisten! Selbst innerhalb der Gruppe sind die Maßstäbe streng und die Wahrnehmung schonungslos: Von der Alleinerziehenden heißt es, sie sei „in zahllose Frustrationen“ verwickelt, während der Sauberkeitsfimmel einer anderen eindeutig darauf hindeute, „dass sie alles andere als … geistig stabil ist“.

Eine „Insel in der Zeit“, einen „geheiligten Raum der Ehrlichkeit“ unter Frauen habe sie beschreiben wollen, so die Erzählerin zu Beginn des Buchs. Doch je weiter man sich durch den Band quält, desto mehr wird ihr Vorhaben zur Farce. Die Mütter reproduzieren genau das Verhalten, gegen das sie glauben, sich im Alltag zur Wehr setzen zu müssen. Emanzipation sieht anders aus. ANTJE KORSMEIER

Joanne Fedler: „Weiberabend“. Knaur, München 2008, 384 Seiten, 12,95 Euro