blair sagt aus : Taktisch verantwortlich
Es war eine taktische Meisterleistung. Etwas anderes hätte man von ihm auch nicht erwartet. Der britische Premierminister Tony Blair übernahm gestern die Verantwortung dafür, dass David Kelly als BBC-Quelle bloßgestellt wurde. Die Schuld an dessen Tod war für ihn kein Thema. Und selbstverständlich hat er auch nicht die Verantwortung für den Tod tausender Iraker und britischer sowie US-amerikanischer Soldaten übernommen.
Kommentarvon RALF SOTSCHECK
Das Regierungsdossier vom vergangenen September beruhte allein auf Geheimdiensterkenntnissen, weder er noch seine Leute haben daran herumgedoktert, sagte Blair. Ob die Behauptung, der Irak könne seine Massenvernichtungswaffen binnen 45 Minuten aktivieren, tatsächlich von Blairs Chefsprecher Alastair Campbell eingefügt worden ist, spielt keine Rolle. Vielleicht sagt der „Spindoctor“ ja sogar die Wahrheit.
Es ist auch unwichtig, wer im vergangenen September was zu wem gesagt hat. Fest steht, dass die Regierung nicht nur das Dokument insgesamt „sexier“ gemacht hat, wie die unpassende Formulierung für die Kriegsvorbereitungen lautet. Zudem haben Blair und seine Minister stets den Untergang Großbritanniens an die Wand gemalt, wenn man nicht gegen Saddam Hussein vorgehe.
Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, ob Großbritannien unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in den Krieg gezogen ist. Diese Frage hat Blair nicht beantwortet, sie ist ihm gar nicht erst gestellt worden. Das war allerdings auch nicht zu erwarten. Hutton führt keine richterliche Untersuchung, auch wenn er Richter ist. Er hat nicht die Befugnis, die Begründungen für den Irakkrieg zu bewerten.
Ob das von Vorteil für Blair ist, muss man bezweifeln. Immerhin hat Hutton Dokumente zutage gefördert, die kaum einer Bewertung bedürfen. Ein Beispiel: Jonathan Powell, ein enger Mitarbeiter Blairs, sagte im September letzten Jahres, die Beweislage zeige, dass Saddam nicht mal eine Gefahr für seine Nachbarn sei, geschweige denn für den Westen. Zwei Wochen später erklärte Blair im Unterhaus, Saddam sei eine akute und ernst zu nehmende Gefahr.
Daraus kann jeder seine eigenen Schlüsse ziehen. Und wenn es die falschen sind, hat Blair sich das selbst zuzuschreiben. Seine Regierungspolitik war von Anfang an davon bestimmt, jeder Nachricht einen regierungsfreundlichen Dreh zu geben. Warum sollte es diesmal anders sein?