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Archiv-Artikel

biopolitik Embryonen waren 1949 kein Thema

Justizministerin Brigitte Zypries ist keine Ideologin, und das ist in der Regel sehr wohltuend. Auch in ihrer Politik zur Embryonenforschung vertritt sie eine vernünftige Position. Es macht keinen Sinn, schon die befruchtete Eizelle in der Petrischale dem absoluten Schutz der Menschenwürde zu unterstellen. Dieses zentrale Grundrecht soll den Menschen davor schützen, vom Staat erniedrigt und als bloßes Objekt behandelt zu werden. Diese Bestimmung ist nicht für die frühesten Vorformen menschlichen Lebens gedacht.

Kommentarvon CHRISTIAN RATH

„Menschenwürde von Anfang an“, wie sie noch Zypries’ Vorgängerin Herta Däubler-Gmelin vertrat, das klingt zwar gut, führt aber zu absurden Ergebnissen. Manche Methode der Empfängnisverhütung müsste plötzlich als verfassungswidrig verboten werden. Sowohl die Spirale wie auch die „Pille danach“ verhindert eine Einnistung der befruchteten Eizelle und „tötet“ damit bereits menschliches Leben. Man muss schon ein Erzfundamentalist sein, um die Spirale als Verstoß gegen die vermeintliche Menschenwürde der befruchteten Eizelle anzusehen.

Gefährlich wäre auch eine Relativierung der Menschenwürde. Weil eben kaum jemand ein Verbot der „Pille danach“ für vernünftig hält, müsste es hier eine Ausnahme vom absoluten Schutz geben. Die Menschenwürde wäre dann relativierbar und könnte auch mit anderen Werten und Zielen abgewogen werden. Folter zur Abwehr von Gefahren und Demütigungen zur Abschreckung von Verbrechern würden verfassungsrechtlich denkbar. Nein, das kann niemand wollen.

Schon deshalb ist die Position von Zypries vorzuziehen, wonach der absolute Schutz der Menschenwürde erst mit der Einnistung in der Gebärmutter beginnt. Auch dann ist es noch schwierig genug, die Zulässigkeit von Abtreibungen zu erklären. Gegen die „Menschenwürde ab Geburt“ spricht jedoch die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Immerhin soll nun offen diskutiert werden: Was sind die Vorzüge, was die Nachteile, wo führt die Entwicklung hin, wenn man erst einmal mit voller Kraft beginnt? Möglicherweise kommt man auch am Ende dieser Debatte zum Verbot der Embryonenforschung. Aber das wäre ehrlicher und reifer, als sich hinter verfassungsrechtlichen Postulaten zu verschanzen, die bei der Entstehung des Grundgesetzes ganz sicher niemand im Hinterkopf hatte. Der Parlamentarische Rat dachte 1949 eben noch nicht an Embryonenforschung.