bildungspolitik : Kein Mann für die Strukturreform
Die SPD ist ihrem Bildungssenator nicht gefolgt: Mit einer Dreiviertelmehrheit hat die Partei für ein verpflichtendes Wertefach gestimmt. Sie hat damit eine Entscheidung gefällt, die Sinn macht in einer multireligiösen Stadt wie Berlin. Und sie hat Bildungssenator Klaus Böger eine empfindliche Schlappe beigebracht. Doch Grund für einen Rücktritt, den Teile der Opposition fordern, ist das nicht.
KOMMENTAR VON SABINE AM ORDE
Denn bei der aufgeheizten Debatte um den Werteunterricht ist in den vergangenen Wochen völlig aus dem Blickfeld geraten: Das neue Fach ist zwar wichtig, aber es ist nun wahrlich nicht die zentrale Frage für die Zukunft des Berliner Bildungssystems.
Eine andere Entscheidung, die die SPD gefällt hat, könnte eine viel größere Wirkung entfalten: die Einführung der Gemeinschaftsschule. Sie könnte Schluss machen mit einer Schule, die weder die leistungsschwachen noch die -starken SchülerInnen wirklich gut fördert und in der die soziale Herkunft der Kinder entscheidend ist für deren Bildungserfolg. Zwar ändert sich mit dem Ausstieg aus dem dreigliedrigen Schulsystem nicht sofort der Unterricht, was letztlich das Entscheidende ist. Aber er zwingt die LehrerInnen zum Umdenken. Und das ändert mittelfristig auch den Unterricht.
Zu befürchten aber ist, dass die Gemeinschaftsschule ein reines Lippenbekenntnis der Sozialdemokraten ist. Denn führende SPD-Politiker wie Parteichef Michael Müller äußern sich dazu sehr zurückhaltend. Zudem fehlt in dem Parteitagsbeschluss jeder konkrete Umsetzungsschritt.
Meint die SPD es aber ernst mit der Gemeinschaftsschule, dann hat die Partei ein Personalproblem. Denn Bildungssenator Böger will deren Einführung nicht. Die Strukturdebatte ist ihm ein Graus. Will man die Bevölkerung aber genau dafür gewinnen, braucht man glaubhafte und leidenschaftliche Überzeugungstäter. Das ist Böger nicht.