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Archiv-Artikel

behindertenpolitik Die Koalition der Kassenautomaten

Der Kassenautomat gilt als wortkarger Geselle. Dennoch gibt er manchmal Wahrheiten preis, wie die neueste Anekdote aus der Finanzverwaltung belegt: Die Behörde bestellt Kassenautomaten für die Bezirksämter, ein paar Dutzend, damit es günstig wird. Sie übersieht, dass Rollstuhlfahrer das Modell nicht bedienen können: Die Knöpfe liegen zu hoch. Der Behindertenbeauftragte rügt den Kauf, es wird diskutiert, dann bestellt die Verwaltung eine neue Charge: Die für behinderte Menschen nicht bedienbare Variante, wohlgemerkt.

KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE

Für normale Menschen klingt der Nachkauf unlogisch. Doch in der Denkart des rot-roten Senates macht er Sinn. Denn der Charakter der Koalition ist dem Charakter des Kassenautomaten nah. Und der ist schlicht gestrickt: Er zählt, wie viel Geld oben reinfällt, und berechnet, was er unten rausgibt, wobei er seinem Programm folgt. Seine politische Analysefähigkeit bewegt sich in engen Grenzen.

Das innere Programm von Rot-Rot war in den vergangenen fünf Jahren das Sparen. Von jedem Geldbetrag, der durch ihre Mechanik rutscht, behält die Koalition der Kassenautomaten etwas ein – egal, wofür er ausgegeben werden sollte. Sie hebt den Sparzwang aufs Podest, als Argument, gegen das jeder Einwand zwecklos ist. Wie die Sparsumme erreicht wird, ist nebensächlich. Nicht die Inhalte, die überm Strich stehen, sind von Belang, sondern die Zahl darunter.

Dergestalt getrimmte Verwaltungen kaufen natürlich Automaten, die zehn Prozent der Berliner Bevölkerung diskriminieren – auch wenn die behindertenfreundliche Variante kaum teurer ist, wie der Behindertenbeauftragte beteuert. Zum Glück hat die Koalition gerade eine Chance, die dem Kassenautomaten verwehrt bleibt. Sie kann sich neu programmieren.