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Archiv-Artikel

ausgehen und rumstehen Die Aftershowparty des Jahres

Der Urdialog: „Ich glaube, ich gehe jetzt.“ – „Jetzt, wo es gerade geil wird?“

Wir waren dann noch im Berghain. Genauer in der Kantine des Berghains, einem abgehangenen Raum, etwas karg, aber mit Bar und Sitzmöglichkeiten. Es war Sonntagnacht. Wir kamen vom Animal Collective Konzert, das natürlich großartig war. Animal Collective haben im Postbahnhof gespielt, ihr Set war bündig, kompakt wie nie und ausschweifend, nach Glück strebend und kopfekstatisch wie je. Animal Collective, Hype hin, Hype her, machen Musik, die glücklich macht. Für den Moment und darüber hinaus.

Das immer größer werdende Publikum hatte mitunter seine Schwierigkeiten damit; Schwierigkeiten mit den Elektroelementen, mit den Calypso-Afropop-Gesangssätzen, mit der Brachialität, die aus Noise-Zusammenhängen herrührt, und es gab gar manche, die nach bestimmten Hits schrien, aber Hits haben Animal Collective im Grunde noch nie gespielt, ich jedenfalls warte auch schon seit Jahren auf „Kids on a Holiday“ und seit nicht ganz so Langem auf „The Purple Bottle“ und „For Reverend Green“. Es war bereits das vierte Mal, dass ich die Band gesehen habe, das ist privater Rekord.

In der Kantine des Berghain fand die Aftershowparty statt, und nach einigem elektronischen Vorgeplänkel legten Avey Tare und Geologist, zwei Drittel der Band oder, wenn man es genau nimmt, die Hälfte, dann noch Platten auf. Geologist hatte seine kleine Grubenleuchte gegen eine Pudelmütze getauscht und sah nun mitsamt Vollbart vollends knuffig aus; während Avey Tare in einem Pullover auflief, der früher als absolut verboten galt, einem norwegischen Skipulli nämlich, den man als Kind in den Wintern zwischen Erstkommunion und Erstorgasmus trug, bevor er absolut peinlich wurde. Was die beiden dann auflegten, war ziemlich Kraut und Rüben, aber genau das machte Spaß. Es gab 80er-Jahre-Elektronik, die irgendwie nach Jean-Michel Jarre klang, aber auch Vangelis hätte sein können; dann gab es schlicht alles: Ethnopop, Soul, Dubstep, irgendetwas Neo-Ska-mäßiges. Es war schön.

Wir saßen oder standen am Rand und wippten mit; die meisten tanzten, etwas sonntagslahm vielleicht, oder einfach betont bescheiden, es ging auf den Montag zu, frühes Aufstehen drohte. Wir sprachen über die Vorteile offener Beziehungen, über den Zusammenhang zwischen Sex und Tischtennis, der natürlich ein sehr großer ist, und fanden Münzen auf dem Boden. Später nahmen wir ein Taxi.

RENÉ HAMANN