aus der rechtsmedizin : Eine Leiche mit zwei Genomen
Münchner Rechtsmediziner sind jetzt erstmals auf eine Leiche gestoßen, die zwei unterschiedliche Sätze von Erbinformationen hat. Bei der Identifikation eines unbekannten Selbstmörders fanden die Gerichtsmediziner sowohl männliche als auch weibliche DNA-Merkmale. „So etwas war uns noch nie untergekommen“, sagte die DNA-Expertin Katja Anslinger vom Institut für Rechtsmedizin der Universität München. Bei der nachträglichen Recherche stellte sich dann heraus, dass der Mann Jahre vor seinem Suizid eine Knochenmarkspende von einer Frau erhalten hatte. Nach der Transplantation wiesen seine Blutzellen, die ja von den Stammzellen im Knochenmark abstammen, die DNA-Merkmale der Spenderin auf. In allen anderen Körperzellen war immer noch der ursprüngliche Chromosomensatz des Mannes zu finden.
In einer ersten Untersuchung hatten die Gerichtsmediziner Proben untersucht, die am Unfallort von den dort vorhandenen Blutspuren genommen wurden. In dieser Proben war nur das Genom einer weiblichen Person zu finden. Erst die Analyse von Hautzellen zeigte, dass die Mediziner es hier mit einer genetischen Chimäre zu tun haben. „Der Fall sollte Fahnder und Untersuchungsbehörden sensibilisieren, Genspuren noch kritischer zu hinterfragen“, warnte Anslinger. Wenn die Polizei bei der Identifizierung von Leichen oder bei der Aufklärung von Verbrechen nichts von einer Knochenmarktransplantation wisse, könne dies zu Fehlinterpretationen und falschen Verdächtigungen führen. AP, TAZ