arafat in behandlung : Der kranke Mann von Ramallah
Seit Jahren behauptet die israelische Regierung, Palästinenserchef Jassir Arafat stelle das größte Hindernis für den Friedensprozess dar. Nun liegt der Mann möglicherweise im Sterben. Aber damit steht der Frieden noch lange nicht vor der Tür.
KOMMENTAR VON KARIM EL-GAWHARY
Im Gegenteil: Der israelisch-palästinensische Konflikt würde durch Arafats Tod unberechenbarer. Arafat, das Symbol der nationalen Aspirationen der Palästinenser und gleichzeitig deren schlechter Anwalt – diese verbindende Klammer ist in den letzten Jahren ohnehin rostig geworden. International demontiert, hat Arafat auch zu Hause immer mehr an Einfluss eingebüßt.
So würde sein Tod nicht eine völlig neue Situation schaffen. Er würde nur jene Tendenzen verschärfen, die längst erkennbar sind. Die Palästinensische Autonomiebehörde ist schon jetzt nicht mehr funktionsfähig. Die größte palästinensische Gruppe, Arafats Fatah-Organisation, ist in Auflösung begriffen, und die islamistische Hamas wird immer stärker. Arafats Ableben würde das Risiko vergrößern, dass sich diese Tendenzen gewaltsam Ausdruck verleihen.
Arafats Tod würde auch das Ende einer von den meisten Palästinensern als legitim angesehenen historischen Führung besiegeln. Potenzielle Nachfolger stecken in einem Dilemma: Nehmen sie die israelische Besatzung hin, werden sie international anerkannt, verlieren aber zu Hause an Ansehen. Dort wetteifern militante Gruppierungen um die Gunst ihrer Landsleute in der Frage, wer der israelischen Besatzung den effektivsten Widerstand entgegenbringt.
Um diese destruktive Dynamik zu verhindern, wäre es am besten, eine Führung der nationalen Einheit zu bilden und möglichst schnell palästinensische Wahlen auszurufen, an denen alle Gruppen teilnehmen würden – einschließlich Hamas. Eine derart gewählte Führung könnte international nicht ignoriert werden und wäre fähig, einen Waffenstillstand durchzusetzen und mit Israel erneut in Verhandlungen zu treten. Sie könnte nicht mit dem Argument mangelnder Legitimität torpediert werden.
Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass Israel an ernsthaften Verhandlungen über einen palästinensischen Staat und die Aufgabe der besetzten Gebiete tatsächlich interessiert wäre. Bisher deutet alles darauf hin, dass die Regierung Scharon eher darauf spekuliert, dass Arafats Tod die Palästinenser weiter schwächt. Dann könnte sie an ihrem bisherigen Kurs festhalten.