american pie : Charlie der Ganove packt aus
Pete Rose, einer der besten Baseball-Spieler aller Zeiten, gibt nach 14 Jahren Sperre endlich illegale Wettgeschäfte zu
„Bitte sag, dass es nicht wahr ist“, soll ein kleiner Junge mit Tränen in den Augen Pete Rose gebeten haben, als der Manager der Cincinnati Reds des illegalen Wettens auf Baseballspiele beschuldigt wurde. Das war im Jahre 1989, und 14 Jahre lang folgte Rose der Aufforderung des weinenden Buben aufs Wort. „Ich habe nie auf Baseball gewettet“, versicherte er bei jeder Gelegenheit, auch in seiner Biografie „My Story“, die 1989 erschien, kurz nachdem Rose von der Major League Baseball (MLB) auf Lebenszeit gesperrt worden war.
Manch Baseball-Fan glaubte ihm, die meisten nicht. Zu erdrückend waren die Beweise, auch wenn es keine juristische Untersuchung mehr gab, nachdem Rose die Sperre akzeptiert hatte. Trotz des Sündenfalls sprach sich in den letzten Jahren eine große Mehrheit dafür aus, Pete Rose zu begnadigen und endlich in die Hall of Fame des Baseball in Cooperstown im Staate New York aufzunehmen. Sportlich verdient hat er sich das allemal. In seiner 24-jährigen Karriere als Spieler bei den Cincinnati Reds und Philadelphia Phillies traf er den Ball 4.256-mal und löste Ty Cobb als ewiger Rekordhalter ab. Beliebt war er wegen seines unbändigen Einsatzes, der ihm auch, nach einer Comicfigur, den Spitznamen Charlie Hustle einbrachte. Immer stand er unter Volldampf, selbst seine „Walks“ absolvierte er rennend.
In seiner letzte Woche erschienenen jüngsten Autobiografie, die den selbstmitleidigen Titel „Mein Gefängnis ohne Gitter“ trägt, erklärt er seine Ruhelosigkeit damit, dass er seit jeher an einer Attention Deficit Hyperactivity Disorder (ADHD) leide. Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen, die er auch für seine Disposition zur Sucht verantwortlich macht. „Wenn er mittags einen Drink nimmt, ist er abends Alkoholiker“, sagte schon zu Roses aktiver Zeit ein Stadionsprecher der Phillies über ihn. Alkoholiker wurde er nicht, dafür aber spielsüchtig.
Das nämlich ist die eigentliche Neuigkeit des Buches: Nach 14 Jahren gibt Pete Rose zu, tatsächlich vier- bis fünfmal pro Woche Baseballwetten abgeschlossen zu haben – allerdings nie gegen sein Team und noch nicht zu seiner Zeit als Spieler. Behauptungen, die von den Medien ebenso angezweifelt werden wie die Aussage, dass seine Wettsucht kuriert sei und er höchstens noch auf Pferde setze. Das sei, als würde ein Alkoholiker sagen, er trinke keinen Scotch mehr, sondern nur noch Wein und Bier, merkte ein Experte für Spielsucht an.
Ohnehin fielen die Baseball-Kolumnisten nahezu geschlossen über Rose her, der sich mit der Art und Weise seines späten Geständnisses möglicherweise einen Bärendienst erwiesen hat. Die Pose des zerknirschten Sünders in Verbindung mit der Veröffentlichung eines Buches, das satte 24,95 Dollar kostet, wird als pure Heuchelei verurteilt, die Entschuldigung als eher lau betrachtet. „Ich habe immer gehört: Wenn Pete Rose mit der Wahrheit rausrückt, ist alles vergeben. Nun, ich habe das Gewünschte getan. Der Rest liegt beim Commissioner und beim großen Schiedsrichter im Himmel“, schreibt Rose. Das klingt weniger nach Reue als nach dem Versuch eines Deals. Charlie Hustle sei eben doch „Charlie The Hustler“ geblieben, Charlie der Ganove, bemerkte USA Today.
Auch wenn Pete Rose noch eine deutlich seriösere Entschuldigung nachschob, ist die Zahl der Befürworter seiner Begnadigung als Voraussetzung für die angestrebte Aufnahme in die Hall of Fame nach jüngsten Umfragen deutlich gefallen. Bedeckt hält sich auch Bud Selig, der Commissioner der MLB. Er habe das Buch nicht gelesen, ließ er wissen, und auf die Frage, was nun der nächste Schritt sei, antwortete er: „Es gibt keinen nächsten Schritt.“ MATTI LIESKE