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Archiv-Artikel

american pie Anders als die anderen

Emeka Okafor scheint ein College-Sportler alten Schlages zu sein: gebildet, ohne Skandale – und unheimlich talentiert

Der College-Sport, früher einmal heimeliger Hort konservativer Werte, hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert: Football-Spieler stehen wegen Vergewaltigung vor Gericht, Basketballer werden mit willigen Groupies und illegalen Zahlungen an die Universitäten gelockt, Doping grassiert, ein Großteil der Sportstipendiaten macht keinen Abschluss, immer mehr Spitzenkräfte wagen bereits nach einem oder zwei Jahren den Sprung zu den Profis.

Wenn aber kommendes Wochenende in San Antonio die letzten vier College-Teams zum Final Four antreten, ist ausgerechnet einer als Star der millionenschweren Veranstaltung ausersehen, der wie eine Erinnerung an die gute alte Zeit das Gegenmodell zu den modernen Entwicklungen verkörpert: Emeka Okafor ist 21 Jahre alt, 2,06 Meter groß, 114 Kilo schwer und Center der Connecticut Huskies, vor allem aber sowohl sportlich als auch akademisch und menschlich scheinbar ohne jedweden Makel.

Okafor gilt nicht nur als momentan bester Verteidiger im College-Basketball, weil er im Schnitt fünf Würfe pro Spiel blockt und ausdauernd Rebounds sammelt. Mittlerweile hat er auch seine Offensiv-Qualitäten entscheidend verbessert und steuert reichlich Punkte bei. Für Jay Wright, Chefcoach von Konkurrent Villanova, ist Okafor „eine einzigartige Mischung aus Talent, Intelligenz und Härte“. Aber nicht nur Trainer lieben Okafor, auch Großmütter. Keine der längst zur Standardausstattung eines Basketballers gehörenden Tätowierungen oder Piercings verunstalten den Modellathleten. Und während seine Kommilitonen eher weniger anspruchsvolle Studiengänge bevorzugen, wird Okafor bereits kommenden Mai seinen Abschluss in Finanzwissenschaften machen – nach nur drei Jahren. Im vergangenen Herbst wurde er aufgrund seiner guten Studienleistungen für ein Seminar ausgewählt, in dem die Studenten Teile des Vermögens der University of Connecticut in den Aktienmarkt investieren. „Er ist anders als jeder andere Basketballer“, sagt Zimmerkollege Ben Gordon.

Während Okafor im College noch gefeiert wird, wartet in der aktuell an einem akuten Mangel an guten Centern leidenden NBA mancher General Manager sehnsüchtig auf die Möglichkeit, sich die Rechte an ihm zu sichern. Okafor könnte zwar noch ein Jahr College spielen, aber da er sein Examen so gut wie in der Tasche hat, gilt als sicher, dass er in die NBA wechseln wird.

Die Talentscouts sind sich einig, dass Okafors Fähigkeiten in der Verteidigung schon jetzt reif für die Profis, seine Offensive aber noch verbesserungswürdig sind. Da der Sohn nigerianischer Immigranten im Gegensatz zu vielen ähnlich talentierten Nachwuchskräften aber ein extrem fleißiger Arbeiter ist, gilt Okafor als verhältnismäßig sichere Investition. Caron Butler von den Miami Heat, der am College noch mit Okafor zusammenspielte, nennt das „Attribute, die man niemandem beibringen kann“.

Mit Okafor und dem fast ebenso talentierten Gordon ging UConn im November als erklärter Favorit in die kurze College-Saison, schwächelte aber im Februar und leistete sich Niederlagen gegen bei weitem nicht so stark eingeschätzte Teams. Während Stanford und St. Josephs ungeschlagen durch die reguläre Saison spazierten, sanken die vormals als Übermannschaft apostrophierten Huskies zwischenzeitlich auf Platz neun der akribisch geführten Ranglisten. Doch rechtzeitig zum K.-o.-Turnier der besten 64 Teams fing sich UConn wieder: Stanford und St.Joe’s sind längst ausgeschieden, die Huskies dagegen scheinen gerade zum richtigen Zeitpunkt ihre Form gefunden zu haben und gewannen ihre bisherigen vier Turnier-Spiele mit jeweils mindestens 16 Punkten Unterschied. Selbst wenn Okafor keinen allzu guten Tag hatte, waren die Erfolge ungefährdet. In San Antonio ist die University of Connecticut nun der große Favorit auf den Titel.

THOMAS WINKLER