american pie : Das NBA-Finale beginnt, die Trainer rotieren
Auferstehung in Cleveland
Kaum jemand glaubt, dass die New Jersey Nets in der heute beginnenden Finalserie der Basketball-Liga NBA gegen die San Antonio Spurs auch nur die Spur einer Chance haben. Solange sie diese Einschätzung nicht mit ein paar sensationellen Siegen revidieren, ist das Interesse an den Endspielen nicht gerade übermächtig.
Stattdessen stehen andere Dinge im Vordergrund. LeBron James zum Beispiel, der 18-Jährige, der einen 90-Millionen-Dollar-Vertrag mit Nike abgeschlossen und die Saisonkartenverkäufe bei seinem künftigen Klub Cleveland Cavaliers in schwindelnde Höhen getrieben hat. Oder das muntere Trainer-Karussell. Neun der 29 Teams haben ihren Coach gefeuert, ein paar stehen noch auf der Kippe. Fünf Vakanzen gibt es im Moment: New Orleans, Philadelphia, Toronto, Washington und Houston, wo Rudy Tomjanovich aus gesundheitlichen Gründen abtrat. Hinzu könnten die Clippers, Atlanta, Portland und sogar Dallas kommen. Der Trainer-Markt brummt, die Gerüchte jagen sich. John van Gundy, Mike Fratello und Mike Dunleavy, zuletzt TV-Kommentatoren, hätten zu gern wieder einen Trainer-Job, ebenso wie Phil Carlisle, Doug Collins oder Lenny Wilkens, die den ihren jüngst verloren.
Aus dem Rennen sind Paul Silas und Larry Brown. Silas bekam am Montag den heiß begehrten Posten in Cleveland, den bis vor kurzem allerdings niemand mit der Feuerzange angefasst hätte. Immerhin waren die Cavaliers mit den Denver Nuggets das weitaus schlechteste und trostloseste Team der letzten Saison. Die Situation änderte sich schlagartig, als Cleveland den Erstzugriff beim Draft und damit LeBron James zugelost bekam, eine Mischung aus Magic Johnson, Michael Jordan und Larry Bird, wie seine Bewunderer schwärmen. Generalmanager Jim Paxson entschied sich für Silas, weil er dem zutraut, den Neuling behutsam in die harte Realität der NBA einzuführen.
Der 59-Jährige, der als Spieler drei NBA-Titel gewann, arbeitete zuletzt fünf Jahre erfolgreich bei den Hornets und hat den Ruf, gut mit jungen Profis umgehen zu können. Vor allem zwei Dinge muss er James beibringen: die psychische Stärke, den Gemeinheiten zu trotzen, mit denen die Veteranen Emporkömmlinge begrüßen; und eine diesem bisher unbekannte Dimension des Spiels: Defense. „Es ist eine Männerliga“, fasst Paul Silas zusammen, was auf LeBron James zukommt, „er tut gut daran, auf der Stelle erwachsen zu werden.“
Ebenfalls unter der Haube ist Larry Brown. Der hatte nach sechs Jahren genug von den Philadelphia 76ers, als es wieder nicht zum Titel reichte, und ging just zu dem Team, das ihn im Viertelfinale aus den Playoffs gekickt hatte: die Detroit Pistons. Diese waren ihrerseits an New Jersey gescheitert, was Phil Carlisle den Job kostete, 2002 immerhin NBA-Coach des Jahres. Brown hat seine LeBron-James-Erfahrung bereits hinter sich. In Philadelphia pflegte er eine von Hassliebe geprägte Beziehung zu Superstar Allen Iverson. „Der liebe Gott hat mir eine sechs Jahre währende Prüfung auferlegt“, scherzte er jetzt. Bisher Spezialist für das Aufpäppeln schwächerer Teams, erhält Brown in Detroit Gelegenheit, einen fertigen Meisterschaftsaspiranten zu coachen.
Zu Hilfe kommt ihm eine wundersame Fügung. Vor sechs Jahren hatte Detroit für Otis Thorpe einen Draftpick von Vancouver bekommen. Der wird jetzt genutzt, da die nach Memphis umgezogenen Grizzlies als Nummer zwei ausgelost wurden. So haben die Pistons die erfreuliche Wahl zwischen einem weiteren Supertalent, dem 17-jährigen Jugoslawen Darko Milicic, und dem College-Star Carmelo Anthony von Champion Syracuse.
Zunächst einmal wird sich Larry Brown aber noch mit ganz anderen Hochkarätern des Basketballs abgeben müssen. Als Chefcoach des Olympiateams der USA muss er sich im August beim Qualifikationsturnier in Puerto Rico mit Leuten wie Jason Kidd, Kobe Bryant, Tracy McGrady, Tim Duncan oder Karl Malone einen der drei Startplätze für Athen sichern. Einen alten Bekannten trifft er dort auch wieder: Allen Iverson. So leicht lässt sich der liebe Gott nicht abschütteln. MATTI LIESKE