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Archiv-Artikel

american pie Großer Tanz mit hohen Quoten

Morgen beginnt mit 64 Teamsdas Finalturnier im College-Basketball, und wie in jedem März spielen nicht nur die passionierten Sportwetter verrückt

Am morgigen Donnerstag nähert sich die March Madness wieder ihrem alljährlichen Höhepunkt, wenn im dramatischsten Turnier des amerikanischen Sportkalenders 64 College-Basketballteams versuchen, sechs K.o.-Runden zu überstehen, woran schon aus mathematischen Gründen 63 scheitern müssen. Am 4. April darf dann in St. Louis „The Last Team Standing“ die Meistertrophäe in Empfang nehmen.

Doch nicht nur hinsichtlich seiner Thrillerfrequenz ist das Turnier Spitze. Sein Alles-oder-nichts-Modus macht es auch zum Traum aller Sportwetter, und allenfalls die Super Bowl kann mit dem auf bis zu hundert Milliarden Dollar geschätzten Wettumsatz konkurrieren. Der Anreiz zur Manipulation ist also hoch, und der veranstaltende Hochschulverband NCAA hofft in jedem Jahr inständig, von einer Katastrophe à la Hoyzer verschont zu bleiben.

Welch verheerende Folgen ein Betrugsskandal haben kann, wissen die mächtigen Collegefunktionäre dabei nur zu genau. Vor einem halben Jahrhundert hatten Spielmanipulationen, in die sogar das damalige Vorzeigeteam Kentucky verwickelt war, der blütenreinen Weste, mit der sich der saubere Amateursport bis dahin so imagefördernd und lukrativ vom vermeintlich korrupteren Profibereich absetzte, einige hässliche Flecken verpasst.

In den Folgejahren sorgte dann die Aufdeckung kleinerer Unregelmäßigkeiten immer wieder dafür, dass diese Flecken nie ganz verblassten. Die letzten Skandale: Spieler in Arizona State (1994) und Northwestern (1995) manipulierten Partien, um Wettgewinne zu erzielen, ein Florida-Guard wurde für die Weitergabe von Insidertipps gegen Gewinnbeteiligungen suspendiert (2001) und der (Football-) Coach von Washington verlor Job und Millionengehalt, weil er im Bekanntenkreis einen hochpreisigen Wettpool um das Basketballturnier betrieb (2003).

Angesichts von 326 Collegeteams allein in der Division I, die jeweils etwa dreißig Saisonspiele austragen, scheinen tatsächliche Manipulationsfälle damit zwar relativ selten zu sein, da zugleich jedoch mehr als ein Drittel aller Sportler und Schiedsrichter in einer anonymen Umfrage erst unlängst gestand, gegen das von der NCAA ausgesprochene Teilnahmeverbot an Sportwetten verstoßen zu haben, sähe der Verband gerne das Wetten auf Collegespiele grundsätzlich, d. h. auch in der letzten Zockerenklave Nevada verboten. Eine entsprechende Gesetzesinitiative im US-Senat scheiterte aber bislang am Widerstand des Wüstenstaats.

Und so werden auch in diesem März die Hotels in Las Vegas belegt sein wie sonst nur zu Silvester; werden die Madness-Infizierten vor Bildschirmwänden sitzen, um mehrere Partien sowie die Quotenentwicklungen simultan verfolgen zu können; werden privat oder bei der Arbeit landesweit Millionen ihre „Brackets“ ausfüllen und ihr Orakel – streng genommen illegal – mit Barem bekräftigen; wird eine steigende Zahl von Sportwettern – ebenfalls illegal – ihren Tipp und Einsatz bei Onlinefirmen platzieren.

Derweil werden sich die Student-Athletes auch ohne pekuniäre Anreize das Herz aus dem Leib spielen, darunter erstmals der deutsche Nationalspieler Johannes Herber, dessen West Virginia Moutaineers dank eines hervorragenden Saisonfinishs noch die bereits verloren geglaubte Qualifikation für den Big Dance gelang. Sollte Herbers Team das Erstrundenduell mit Creighton überstehen, winkt ihm eine spektakuläre Herausforderung gegen einen der Titelaspiranten Wake Forest mit Star-Guard Chris Paul.

Vom Auswahlkomitee in den vier Turniergruppen jeweils auf den Spitzenplatz gesetzt wurden die Favoriten Illinois (kein Team spielt homogener, exzellentes Guardtrio mit Dee Brown, Deron Williams und Luther Head), Washington (explosiver Backcourt mit Nate Robinson und Tre Simmons), Duke (besonders am Brett mit Shelden Williams und aus der Distanz mit J.J. Redick gefährlich) und die unter Coach Roy Williams wiedererstarkten North Carolina Tar Heels, bei denen mit Sean May, Raymond Felton, Rashad McCants, Jawad Williams und Superfreshman Marvin Williams derzeit gleich fünf sichere Profikandidaten auf Körbejagd gehen.

Die gierigsten Blicke von NBA-Scouts dürfte im Turnier aber ein Australier kroatischer Abstammung im Kader der Utah Utes auf sich ziehen. Andrew Bogut (2,13 m) gilt als größtes Centertalent im College, und eine überzeugende Vorstellung beim Big Dance könnte ihn zum Top-Pick des NBA-Draft im Juni werden lassen. Manipulationsversuche stehen von Talenten dieses Kalibers im Übrigen nicht zu befürchten. Selbst einem an dreißigster Stelle von einem NBA-Klub ausgewählten Berufsanfänger ist ein Zwei-Millionen-Dollar-Vertrag garantiert. Wer wird diesen Zahltag schon aufs Spiel setzen wollen? JENS PLASSMANN

Das NCAA-Turnier wird in Deutschland (Ausnahme: Baden-Württemberg) über den Paykanal North American Sports Network (www.nasn.de) übertragen.