piwik no script img

Archiv-Artikel

american pie Center verzweifelt gesucht

Es geht um eine sichere Anspielstation unter dem Korb. Um ein sorgloseres Leben im Kampf um Titel. Es werden Center gesucht in der Nordamerikanischen Basketball-Liga NBA. Seit 1996, als noch Spieler wie Hakeem Olajuwon (2,13 m), Patrick Ewing (2,13 m), Shaquille O’Neal (2,16 m) oder David Robinson (2,16 m) die Zone beherrschten, hat die Zahl erstklassiger Center in der NBA dramatisch abgenommen. Ewing, Olajuwon und Robinson sind längst zurückgetreten. O’Neal ist 34 Jahre alt und weit entfernt von der Klasse vergangener Jahre.

Es hat sich ein Wandel vollzogen. Mit Spielern wie Allen Iverson (Denver) oder Kobe Bryant (Los Angeles Lakers) sind viele extrem offensivstarke Aufbauspieler auf den Plan getreten. Sie sind es nun, die in entscheidenden Momenten wichtige Würfe nehmen, die die Ranglisten der besten Korbjäger anführen. Flügelspieler wie Tim Duncan (San Antonio) oder Kevin Garnett (Minnesota) dominieren im Kampf um die Rebounds.

Sie alle profitieren vom Mangel an großen Leuten unter dem Korb. Waren 1996 noch vier Center unter den Top-Ten der besten Korbjäger, kann heute nur noch Yao Ming (26, Houston) mithalten. Der Chinese ist der vorerst letzte wahre Riese (2,26 m) in der Zone. Ansonsten finden sich sieben Aufbauspieler unter den besten zehn Punktesammlern. Das Spiel mag durch die schnellen, wendigen Guards temporeicher, vielleicht auch attraktiver geworden sein. Dennoch sind die Team-Manager immer auf der Suche nach einem Center von überdurchschnittlicher Klasse. Zumeist ohne Erfolg. Michael Olowokandi (31, Minnesota), seit 1998 in der NBA, gilt als einer der größten Flops der NBA-Geschichte, ebenso Lakers-Center Kwame Brown (24), der seit 2001 den Erwartungen hinterherläuft. Sie beide stehen stellvertretend für eine Reihe von Enttäuschungen.

Doch die Suche geht weiter. Denn so gut die Guards auch sein mögen – wenn es um Meisterschaften geht, kommt es auf die Center an. 1994 und 1995 thronten die Houston Rockets mit ihrem Star Olajuwon über der NBA. Zur Jahrtausendwende holten die Los Angeles Lakers mit Shaquille O’Neal drei Mal in Folge den Titel. Zwar trug Kobe Bryant einen erheblichen Teil zum Erfolg bei, doch wie wichtig Shaq war, merkte man erst nach dessen Abgang 2004: Bryant und die Lakers sind kein ernsthafter Titelanwärter mehr. O’Neal gewann mit Miami 2006 die Meisterschaft.

Nur ein Guard konnte die Phalanx der Center durchbrechen: Basketball-Legende Michael Jordan, der in den 90ern sechs Titel mit seinen Chicago Bulls holte. Ansonsten hatten fast alle großen Teams einen überragenden Mann in der Mitte: Die Boston Celtics in den 60ern Bill Russell (2,08 m), die Los Angeles Lakers in den 80ern Kareem Abdul-Jabbar (2,18 m). Zwar gibt es derzeit mit dem 21-jährigen Al Jefferson (Boston) und dem Letten Andris Biedrins (20, Golden State) vielversprechende Talente. Doch ihnen fehlt die Vielseitigkeit der ganz Großen.

Der derzeit größte Hoffnungsträger kommt erst in der nächsten Saison in die NBA: Greg Oden (2,16 m) vom Ohio State College gilt als Jahrhunderttalent. Wird aus dem 19-Jährigen der nächste Shaquille O’Neal – oder doch nur ein neuer Kwame Brown?

DAVID-EMANUEL DIGILI