: Zwei neue sowjetische Zeitungen sollen Reformprozeß beschleunigen
Moskau (afp) - Nach den personellen Umbesetzungen an der Sowjetspitze verlieren die Reformpolitiker im Politbüro der KPdSU offenbar keine Zeit. Auf der ersten Sitzung dieses zwölfköpfigen Parteiführungsgremiums wurde am Dienstag abend das baldige Erscheinen von zwei neuen Partei- und Regierungszeitungen angekündigt. Unterdessen machte sich der neuberufene Chefideologe, Wadim Medwedew, am Dienstag abend vor sowjetischen Wissenschaftlern in seiner ersten großen Rede für „neue Formen des Eigentums“ in Landwirtschaft und Industrie stark.
Die beiden Zeitungen, die für noch mehr „Glasnost“ in der sowjetischen Politik sorgen sollen, werden unter dem Titel 'Iswestija des Zentralkomitees‘ und 'Regierungsbote‘ erscheinen. Die Sowjetführung entspricht damit der auf der großen Parteikonferenz im Sommer vielfach geäußerten Kritik am KPdSU-Organ 'Prawda‘ und dem Wunsch nach „umfassender Berichterstattung über die Arbeit der Parteiführungsorgane“. Anhänger der Perestroika werfen der 'Prawda‘ vor, nur Lippenbekenntnisse für die Reformpolitik abzulegen.
In der 'Iswestija des Zentralkomitees‘ sollen nun die „Mitschriften der wichtigsten Tagungen“ dieses Gremiums abgedruckt werden, was aus den Reihen der Partei mit Nachdruck gefordert worden war. Der neue Chefideologe der Partei, Medwedew, hat bei seiner ersten Rede vor großem Publikum Wissenschaftlern einer internationalen Sozialismus -Konferenz in Moskau dargelegt, daß der Markt eine „unersetzliche Rolle“ im Wirtschaftsleben der Sowjetunion spielen müsse. Ohne ausdrücklich das Tabuwort vom unternehmerischen Privatsektor auszusprechen, befürwortete er „neue Formen des Eigentums“. Er sprach sich sogar für die Veräußerung „selbst wichtiger und nicht notwendigerweise kranker“ Unternehmen aus.
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