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■ Zur sozialdemokratischen Machtübernahme in SchwedenKein neuer Wohlfahrtsstaat

Schweden, Sozialdemokratie und Wohlfahrtsstaat galten jahrzehntelang als Synonyme. Nach den Parlamentswahlen vom Sonntag sind sie wieder vereint. Schweden und seine satte sozialdemokratische Mehrheit. Und der Wohlfahrtsstaat? Er spielte weder im Wahlkampf eine Rolle, noch wird er nun wie Phönix aus der Asche wiederauferstehen. Schwedens neuer Ministerpräsident hat Blut, Schweiß und Tränen angekündigt, kein neues sozialdemokratisches Musterland. Er möchte das Land stromlinienförmig in die EU führen und will jedenfalls nicht die rot-grünen Experimente, die ihm die konservativen Medien zu Wahlkampfzwecken unterstellten.

Was sich ändern soll, sind marginale Revisionen im Sozial- und Steuersektor: Aufhebung arbeitnehmerfeindlicher Kündigungserleichterungen, Verschärfung der Aktienbesteuerung, ein Investitionsprogramm gegen die Arbeitslosigkeit und die Einführung einer „Jobgarantie“ für jugendliche Arbeitslose: keineR unter 25 soll länger als hundert Tage ohne Arbeit, Ausbildung und Umschulung sein. Ehrenwerte Absichten sind dies und leichte Kurskorrekturen, aber nicht die neue Politik, die offenbar so viele SchwedInnen mit der Neumöblierung der Parteienlandschaft im Sinne hatten. Über den großen Wurf, den die jetzt eigentlich existierende rosa-rot-grüne Mehrheit in der schwedischen Politik angehen könnte, reden Linkspartei und Grüne, ohne allzu konkret zu werden, vor allem aber ohne auf nennenswerte Resonanz bei den Sozialdemokraten zu stoßen. Der linke Flügel ist klein und ohne rechtes Profil. Das Sagen in der Führungsspitze haben eher zur Mitte hin orientierte BerufspolitikerInnen und Gewerkschaftsbosse. Ein schwungvoller Neubeginn steht da nicht zu erwarten.

Durchaus nachvollziehbar, daß die Sozialdemokraten trotz ihres Erdrutschsiegs bei den JungwählerInnen kläglich gescheitert sind. Diese ließen sie rechts liegen und verhalfen Linkspartei und Grünen zum Erfolg, die zumindest ansatzweise Visionen zu bieten hatten – und gegen einen EU-Beitritt sind. Wollen die Sozialdemokraten nicht eine ganze Generation verlieren, stünde tatsächlich eine Öffnung zu einer irgendwie geformten rot-grünen Zusammenarbeit auf der Tagesordnung, nicht das Schielen zur Mitte, das Carlsson bereits eingeleitet hat. Und womit er eine persönliche Tradition weiterführt: den Systemwechsel in Schweden, das Einmotten des Wohlfahrtsstaats bereiteten und leiteten er und seine Sozialdemokraten ein. Auf diesem Weg weiter, wenn auch mit gezügeltem Tempo, scheint die falsche Richtung. Die Chance für Schweden könnte ein nach halber Legislaturperiode gescheiterter Ingvar Carlsson werden. Und ein rosa-rot-grünes Nachfolgemodell. Reinhard Wolff

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