piwik no script img

Archiv-Artikel

■ Zum Unterschied zwischen gezüchteten und genmanipulierten Pflanzen Folgenschwere Eingriffe in die Natur

betr.: „Katzek bleibt Katzek“ von Mareke Aden, tazzwei vom 5. 1. 04

Die Schilderung der Lobby-Arbeit der Gentechnik-Betreiber ist anschaulich, die Darstellung der Debatten mit den KritikerInnen, die ich selbst aus langjähriger Arbeit zu dem Thema kenne, gelungen. Der Artikel enthält aber einen fachlichen Fehler. Diesen richtig zu stellen ist zum Verständnis der Debatte und zum Verständnis dessen, was Gentechnologie ist, von großer Bedeutung. […]

Mareke Aden schreibt, dass Jens Katzek den „Unterschied zwischen gezüchteten und genmanipulierten Pflanzen“ an einem verschrumpelten Pflänzchen erklärt. Er vergleicht dabei Urkohl mit heutigen Kohlsorten und beschreibt diese als „durch Genpanscherei“ entstanden. Das ist definitiv falsch! Weiß-, Grün- und Blaukohl sind ja nicht durch Gentechnik entstanden. Sie wurden, wie andere Gemüse, auf gewöhnlichem züchterischem Weg von wilden Ausgangsformen weggezüchtet. Zudem gehören sie als „Sorten“ alle zur gleichen Pflanzenart, ebenso wie Kohlrabi, Blumenkohl oder Rosenkohl „Kohl“ sind. Es sind nur jeweils andere Teile der Pflanzen, die wir davon essen.

Die züchterische Tätigkeit bestand bis vor wenigen Jahrzehnten ausschließlich darin, für die Weiterzucht diejenigen Pflanzen auszuwählen, deren Eigenschaften erwünscht waren bzw. auf die Zuchtziele gerichtet waren. Der Genbestand stammt dabei ausschließlich aus dem so genannten Genpool der jeweiligen Pflanzenart. Zucht war also Auswahl, gezielte Vermehrung bestimmter Eigenschaften oder die Ausnutzung spontaner Mutationen. […] Diese Situation bleibt grundsätzlich auch bei modernen, technisch unterstützten Züchtungsmethoden ohne Gentechnik bestehen. Gene werden dabei nicht gepanscht, sondern ausgewählt und aus dem Pool einer Art kombiniert.

Gentechnik hat eine neue, technische Qualität und macht etwas grundsätzlich anderes: Über alle Artgrenzen hinweg werden dabei mittels Labormethoden – also technisch – genetische Konstrukte erzeugt, die Erbmaterial von Bakterien, Viren, Tieren, Pflanzen sowie künstliche Moleküle mischen und dieses in das Erbmaterial der manipulierten Pflanze einbringen. Diese Konstrukte würden sich ohne menschliches Zutun nicht bilden können und lösen sich vom natürlich vorhandenen Ausgangsmaterial. Aus dieser oft nicht kontrollierbaren Mischung der Ausgangskomponenten erklärt sich auch das Risikopotenzial der Gentechnik. Für die Züchtung vitaminreicher, gesunder Nahrung ist sie schlicht und ergreifend nicht notwendig. THOMAS BLACHNIK-GÖLLER, Nürnberg

Bei der Züchtung von Pflanzen, wie dem angeführten Grün-, Rot- und Weißkohl benutzte man immer den natürlichen Vorgang der Reproduktion, die geschlechtliche Fortpflanzung durch Spermien-(Pollen)-Übertragung auf die Eizellen (Stempel der Pflanze). Oder man nutzt die natürlich Genmutation der Pflanzen aus. Niemals aber kommt es dabei, wie bei der Gentechnik, zu den folgenschweren Eingriffen in die von der Natur vorgegebenen und in langen Zeiträumen bewährten vorteilhaften Nachbarschaftsbeziehungen der Gene.

Die Gentechniker setzen ein neues artfremdes (und darum evtl. auch das Immunsystem veränderndes) Gen an einen dem Zufall überlassenen Ort auf der Genkette der DNA. Das Zusammenspiel der vorher nebeneinander liegenden Gene wird gestört, was z. B. zu Ausfällen von wichtigen Wirkstoffen führen kann.

Häufig werden den Pflanzen Pestizide gegen Insektenschädlinge eingesetzt, damit dieses Mittel in geringerer Menge gespritzt werden kann. Reste dieser Insektizide, die auch für Menschen und Tiere giftig sind, wurden in Darm, Pansen und sogar Kot von Kühen gefunden, die vier Jahre lang mit Genmais gefüttert worden waren und dann starben. Alle anderen Kühe desselben Bauern, die normalen Mais fraßen, bleiben gesund („Report“ Mainz vom 9. 12. 03).

Würde der Mensch diese Genpflanzen (möglicherweise auch das Fleisch solcher Kühe) verzehren, bestünde auch für ihn Lebensgefahr oder Gesundheitsschädigungsgefahr. Zumal die gängige Praxis der Gentechniker bei der Herstellung der neuen Pflanzenart ist, zusammen mit dem neuen Gen in die Pflanze ein Antibiotika-Resistenzgen einzusetzen, und zwar mit Hilfe von Bakterien und Viren als Gentaxis, die wiederum zumeist auch Krankheitserreger des Menschen sind. Das führt beim Verzehr dieser Pflanzen eventuell zur Resistenz gegen diese Antibiotika, gleichzeitig aber auch zur Möglichkeit, an den verwendeten Bakterien und Viren zu erkranken. […]

Auf keinen Fall sollte den Wünschen einiger EU-Länder nachgegeben werden, 0,3 bis 0,7 Prozent gentechnische Verunreinigungen im europäischen Saatgut zuzulassen. Da der Pollenflug von den Genfeldern sowohl die konventionellen und die Biobauern-Aussaaten verunreinigt wie auch die Wildpflanzen der Umgebung, würden mit der Zeit die Genpflanzen sich über ganz Europa ausbreiten können. […]

G. MAJA LOCHMANN, Berlin

betr.: „Gentechnikgesetz: ‚Wahlfreiheit‘ ist nur Gerede. Die Manipulation kennt keine Grenzen“, taz vom 13. 1. 04

Kühe werden, nach erkanntem BSE-Problem, zu tausenden an den obligatorischen Tests vorbei geschlachtet. Da kann doch kein – noch so sehr von der Industrie bestochener – Ministerialbeamter glauben oder glauben machen, gentechnisch verändertes Saat- oder Erntegut könne durch Kontrollen, Bußgeldandrohungen oder sonst was auf jene Wege beschränkt werden, die es laut Gesetz nur gehen darf!

HANS-PETER GENSICHEN, Wittenberg

In der Minima Moralia schrieb Adorno, es gebe kein richtiges Leben im falschen. Ich habe diese Auffassung immer für eine Verabsolutierung gehalten, bis gestern. Seit dem entschieden ist, dass genmanipulierte Pflanzen ungehindert von jedem, der das will, angebaut werden können, ist auch klar, dass rein natürliche Produkte kontaminiert und somit verschwinden werden. Es kann eben doch kein Richtiges in einer Welt geben, in der das Falsche sich mit Macht durchsetzt. KLAUS BAUM, Kassel

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die erscheinenden Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.