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taz FUTURZWEI

Zukunft von Rente und Pflege Länger arbeiten, mehr zahlen

Damit der „Generationenvertrag“ nicht für alle leeres Geschwätz bleibt, gibt es nur eine Lösung: Die Alten und die Jungen müssen mehr einbringen, meint Udo Knapp in seinem taz-FUTURZWEI-Kommentar.

Die Rente birgt für Junge und Alte Verrohungspotenzial. Foto: Foto: Tatiana P/unsplash

taz FUTURZWEI | Im Verhältnis der Jungen zu den Alten geht es um die verteilungspolitische Frage, wie viel Würde und wie viel sorgenfreies Leben die Jungen ihren Alten in deren letzten Jahren zugestehen wollen - und was die Alten durch eigene Anstrengung selbst dazu beitragen wollen.

Renten und Pflegeversicherung sind die Instrumente, mit denen die Sorge für die Alten staatlich und gesetzlich geregelt werden muss, weil die familialen Bindungen als Selbstregulierung dieser Sorgepflichten der Jungen für ihre Alten schon lange nicht mehr funktionieren. Im Umlageverfahren finanzieren die Jungen, die arbeitenden Beitragszahler mit ihren Renten- und Pflegebeiträgen, nicht ihre eigenen Renten, sondern die Renten der jeweils rentenberechtigten Alten. Die Höhe dieser Renten der 21 Millionen Rentner in der Bundesrepublik ist nicht endgültig festgeschrieben. Sie ist an deren Arbeitskarrieren gebunden (45 Arbeitsjahre für die volle Rente).

Die Renten steigen mit den Lohnzuwächsen der Jungen jährlich an. Die Durchschnittsrenten für Männer, die die Voraussetzung erfüllen, beträgt aktuell 1.664 Euro, für Frauen 1.355 Euro. Durchschnitt bedeutet konkret, dass die Mehrheit der Renten - besonders bei den Frauen - weit unter diesen Beträgen liegt. Davon zahlen die Rentner dann noch eigene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Wenn die Renten deutlich höher liegen, kommen darauf auch noch Einkommensteuern. Die Bruttorenten liegen bei etwa 48 Prozent des letzten Bruttogehaltes.

Demographie und Verantwortung

Die direkte Finanzierung der Renten ist ein Abbild der Verantwortung der Jungen für die Alten. Diese Verantwortung ist von den Tatsachen der Demographie bestimmt. Gibt es viele Junge und immer weniger Alte, gibt es kein Problem. Gibt es immer mehr Alte, deren Renten in der gesetzlich festliegenden Höhe von immer weniger Jungen direkt zu finanzieren sind, dann müssen deren Renten- und Pflegebeiträge steigen. Wenn die Beiträge zur Rentenfinanzierung nicht ausreichen, dann müssen die direkten Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt weiter angehoben werden. 2022 waren es 109 Milliarden Euro, das sind 20 Prozent des Gesamthaushaltes.

Von 2025 bis 2035 gehen die geburtenstarken Jahrgänge, die Boomer, in Rente. Das sind die mit zu wenigen eigenen Kindern. Wenn die aktuelle Rentenhöhe für sie gehalten werden soll, müssen Rentenbeiträge der Jungen und der Bundeszuschuss aller Steuerzahler deutlich erhöht werden. Auf dem dann erreichten Niveau wird sich der Rentenbeitrag bis etwa 2050 verfestigen, weil erst dann die Kohorten der Boomer endgültig abgetreten sein werden.

Steigendes Lebensalter bedeutet steigende Belastung

Für die Pflegeversicherung entstehen bis dahin höhere Lasten, da das steigende Lebensalter höhere Kosten der Pflege verursachen wird. Es wird davon ausgegangen, dass die Beiträge zur Pflegeversicherung bis 2030 von heute 3,4 Prozent vom Brutto auf 5 und bis 2040 auf 7 Prozent steigen werden.

Zwar sind die Einnahmen der Renten- und Pflegeversicherung gestiegen durch die steigende Zahl der Frauen in Vollzeitarbeit, den Zuzug von Arbeitskräften aus Osteuropa (der gerade wieder zurückgeht) und das freiwillige längere Arbeiten vieler Leute; der zusätzliche Finanzbedarf der Renten- und Pflegeversicherung für die nächsten Jahrzehnte kann aber dadurch nicht abgedeckt werden. Sofortige höhere Geburtenzahlen sind ohnehin nicht zu erwarten, würden aber daran auch nichts ändern, da sie erst in etwa 20 Jahren positiv für die Renten- und Pflegeversicherung wirksam werden würden. Zusätzlich ist Einnahmen mindernd in Rechnung zu stellen, dass durch die ökologische Transformation beitragspflichtige Arbeitsplätze wegfallen, die nur langsam in den grünen Industrien ersetzt werden.

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taz FUTURZWEI N°28: Weiterdenken

Zur aktuellen Ausgabe

Wer ist „Der kleine Mann“, wer sind „Die da oben“, wie geht „Weltretten“, wie ist man „auf Augenhöhe“ mit der „hart arbeitenden Bevölkerung“? Sind das Bullshit-Worte mit denen ein produktives Gespräch verhindert wird?

Über Sprache und Worte, die das Weiterdenken behindert.

U.a. mit Samira El Ouassil, Heike-Melba Fendel, Arno Frank, Dana Giesecke, Claudia Kemfert, Wolf Lotter, Nils Minkmar, Bernhard Pörksen, Bernhard Pötter, Florian Schroeder, Paulina Unfried, Harald Welzer und Juli Zeh.

Vorschläge, wie diese Einnahmeausfälle auszugleichen wären, gibt es in der öffentlichen Diskussion schon lange. Hier die Zusammenfassung.

1. Rentenkürzungen für die Alten unter die heute 48 Prozent des letzten Bruttogehaltes sollten unterbleiben, so wie es der Bundeskanzler verlangt (und die FDP in Frage stellt). Als Beitrag der Alten zu der von ihnen durch zu wenige Kinder herbeigeführten, defizitären Finanzlage der Renten- und Pflegeversicherung wird dafür das Renteneintrittsalter für alle auf 72 Jahre erhöht. Die Rente mit 63 wird ersatzlos abgeschafft. Beides lehnt der Bundeskanzler ab. An der Mütterrente und der Erhöhung der Erwerbsminderungsrenten wird festgehalten, aber auf weitere neue - sozial begründete - Leistungen aus der Rentenversicherung wird verzichtet.

2. Die Altersrenten für alle werden in einer Grundrente von mindestens 1.600 und höchstens 1.800 Euro gedeckelt.

3. Zur Finanzierung der Renten- und Pflegeversicherung werden aus allen Einkommensarten außerhalb des Arbeitsmarktes Beiträge erhoben.

4. Zur Sicherung der eigenen Renten der Jungen wird für alle Arbeitenden ab sofort eine pflichtige Betriebsrente als zweite Säule des Systems eingeführt.

5. Das Zocken mit Steuergeldern, das zu zusätzlich verteilbaren Einnahmen in überschaubaren Zeiträumen führen soll, unterbleibt. Stattdessen wird dauerhaft die Defizitfinanzierung der Rentenversicherung aus dem Bundeshaushalt festgeschrieben.

6. Für die wachsenden Kosten der Pflegeversicherung wird ein umfassender Vorrang des Aufbrauchens allen Vermögens des zu Pflegenden vor öffentlicher Unterstützung festgeschrieben. Die Kinder der zu Pflegenden werden zu den Pflegekosten nur herangezogen, soweit bestimmte existenzsichernde Einkommenshöhen überschritten werden.

Der harte Bezug auf demographische Tatsachen

Diese Vorschläge zeichnen sich durch einen harten Bezug auf die demographischen Tatsachen aus. Sie sichern die Erwartungen der Alten auf Anerkennung ihrer Lebensleistung mit längerem Arbeiten und verpflichten zugleich die Jungen neben ihren hohen Beiträgen für die Renten und die Pflege der Alten, für ihre eigenen Renten noch zusätzlich eine Absicherung für ihr Alter aufzubauen.

Die in den nächsten Jahren steigenden Beiträge der Jungen zur Renten- und Pflegeversicherung sind auch durch Zockerei nicht zu vermeiden, wenn die Renten der Alten nicht gekürzt werden sollen. Eine steigende Abgabenquote der Arbeitenden auf bis zu 50 Prozent ihrer Bruttoeinkommen ist für die Sicherung eines würdevollen Endes der Alten und die Alterssicherung der Arbeitenden in Ordnung, auch wenn es die frei verfügbaren Einkommen der Jungen für viele Jahre deutlich reduzieren wird.

UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für das Magazin taz FUTURZWEI.