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Archiv-Artikel

ZEHNTER TAG Verkrampfte Posen und Problemgespräche in der Spätzleküche

Noch einmal hallo! Der Temperaturanstieg bringt gegen Ende alles durcheinander: Wie viele Berlinale-Berichterstatter werden gestern beim Griff in die Tasche ihres Winterblousons, den sie dieses Jahr zum ersten Mal anziehen konnten, erschreckt festgestellt haben, dass die Akkreditierung im dicken Parka ist?

Kein Winterbottom-Wettbewerbsbeitrag also, nur die Beobachtung, dass das im Berlinale-Katalog verwendete Filmstill aus Winterbottoms „The Killer Inside Me“ mit Hauptdarsteller-Hottie Casey Affleck – wie er da mit Zigarillo in seinem Fünfzigerjahre-Schlitten sitzt – fast aussieht wie ein Still aus Kenneth Angers legendärer Autowachs-Orgie „Kustom Kar Kommandos“.

Mit den geschenkten Minuten bleibt dann Zeit für eine genauere Betrachtung des Renée-Zellweger-Porträts, das seit Berlinale-Start gegenüber vom Hyatt-Hotel hängt und an dem man sonst immer nur vorbeihetzte. Auf dem Bild kauert Miss Zellweger im knappen Cocktailkleid und umgreift von hinten fest ihre linke Verse, als wolle sie den Stöckel ihres Glitzerpumps abreißen. Was könnte das Mitglied der Wettbewerbsjury in diese seltsam verkrampfte Pose gezwungen haben? Die vielen Filme, in denen dieses Jahr Männer mit Gewehr durch Wälder robben? Oder die Filme mit den bourgeoisen Bohemians, die ihre Hunde mit Pillen füttern?

Auf der Suche nach etwas Handfestem im Magen und auf der Flucht vor den überrannten Junkspaces am Potsdamer Platz landet man dann in der Joseph-Roth-Diele in der Potsdamer Straße. Doch sogar diese angenehm rustikale, 15 Fußminuten vom Festivaltrubel entfernte Spätzleküche haben die Berlinalisten schon fest in Beschlag genommen. Sie besprechen hier ihre Probleme. Zum Beispiel: Wie geht man als Produzent damit um, wenn man viel zu spät merkt, dass der Regisseur, mit dem man noch nie zusammengearbeitet hat, einen Psychoknacks hat? Ein am Nebentisch sitzender Psychologe wird um Rat gebeten: Der Drehstart sei vom Regisseur schon fünfmal grundlos verschoben worden, Klärungstelefonate würden immer mindestens eine Dreiviertelstunde dauern, er rede dann aber immer nur über sich, nie über den Film. Die Angst der Produzenten vor ihren Künstlern – ein Topos, der möglicherweise bei der nächsten Berlinale wichtig werden wird. Der Rat des Profis zumindest: „Drehen Sie den Film mit einem anderen.“ – „Das geht nicht, ihm gehört das Drehbuch.“ – „Na dann, viel Spaß!“ Bis zum nächsten Mal! JAN KEDVES