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Archiv-Artikel

Wundersame Verarbeitungsmaschinen: „Little Otík“ im Metropolis Kannibalischer Akt

Ein kinderloses Paar schnitzt sich verzweifelt ein Baby aus einer Baumwurzel. Der Zauber der Selbsttäuschung gelingt nur zu gut, das Stück Holz lebt, schreit, futtert – und wächst zu einem Monster heran, das nicht mehr zu bändigen ist. Nur die plietsche Nachbarstochter Alzbětka (Kristina Adamcová) findet in ihrem Märchenbuch die Geschichte vom kleinen Otesánek, erkennt die Wirklichkeit darin wieder und weiß nun, wie sie ausgeht und wen Otík bis dahin noch alles fressen wird.

In Jan Švankmajers Film Little Otík wendet sich das menschliche Werk gegen seine Schöpfer wie in der mittelalterlichen Sage vom Golem, den ein Prager Rabbi aus Lehm erschaffen haben soll. Kontrollieren lässt es sich nicht mehr, nur noch vernichten. Das Märchen Otesánek von Karel Jaromír Erben, das den Golem-Mythos aufnahm, liefert die Vorlage für den Film und ermöglicht gleichzeitig, als Buch im Film nach dem Buch, den ahnungsvollen Blick auf das Ende.

Der tschechische Regisseur Jan Švankmajer macht seit den 60er Jahren Filme, in denen sich in wundersamen Verarbeitungsmaschinen zahllose Zahnräder drehen; kleine Gegenstände fügen sich zu animierten Wesen zusammen, und immer wieder entwickeln Lebensmittel ein Eigenleben, so dass der Vorgang des Essens zum kannibalischen Akt gerät. Begierde und Ekel, Einverleiben und Mord liegen sehr nah beieinander.

Mit Little Otík, seinem neuesten Film aus dem Jahr 2000, knüpft der Meister der Animation, der dieses Jahr 70 wird, nahtlos an seine früheren charmanten Bildercollagen an. Seine Tricks funktionieren immer transparent; jeder Effekt thematisiert sich selbst mit. Dabei montiert er die surrealistisch angehauchten Verwandlungen so humorvoll in die Spielfilmsequenzen, dass beinahe jede Wendung möglich erscheint und selbst die grellen Horrorfilmanklänge überzeugen. Katja Strube

OmeU, Sonntag, 21.15 Uhr, Metropolis