Wowereits Kulturpolitik: Berlin bald noch sexyer
Wowereit macht riskante Wahlversprechen: Kulturetat steigt, Szene wird gefördert, neue Bibliothek. Ein eigenständiges Kulturressort soll es dagegen nicht geben.
Wahrscheinlich ist bis zum 18. September 2011 jede Veranstaltung, an der Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) teilnimmt, Wahlkampf. Das ist nicht schlecht für den Regierenden, aber auch gefährlich, muss er sich doch - vorausgesetzt, er gewinnt die Abgeordnetenhauswahl - an seinen Aussagen messen lassen.
Auf einer Podiumsdiskussion am Mittwoch im Rahmen der Berliner Wirtschaftsgespräche zum Thema "Berlin 2020. Wie steht es um unsere zukünftige Kulturlandschaft?" hat Wowereit einige kühne Positionen riskiert: Nach seiner Auffassung werde der Kulturetat des Landes "in den kommenden Jahren steigen" und die Rolle der Kultur "weiter wachsen". Zugleich glaubt Wowereit nicht, dass es ein eigenständiges Kulturressort in der neuen Legislaturperiode geben wird.
Die vom Deutschen Kulturrat ausgemalten Schreckensszenarien, dass bei deutschen Kulturinstitutionen die Budgets in den nächsten zehn Jahren um 8 bis 10 Prozent sinken, "werden auf Berlin nicht zutreffen", sagte Wowereit. Schließungen von Kultureinrichtungen - wie etwa Landestheater in anderen Bundesländern - stünden nicht zur Debatte. Die Berliner Kulturlandschaft halte ihr hohes Niveau.
Derzeit umfasst der Kulturetat des Landes 375 Millionen Euro. Über 400 Millionen legt der Bund jährlich obendrauf.
Der amtierende Kultursenator legte sich am Mittwoch ebenfalls fest, dass neben den kulturellen Leuchttürmen "die Szene kräftig unterstützt" werden muss. Das junge, kreative Potenzial sei für Berlin und den Ausbau der Kulturwirtschaft besonders wichtig. Weil er wisse, "dass dort manchmal Hungerlöhne gezahlt werden", käme es zukünftig darauf an, "bessere Arbeitsbedingungen zu organisieren und neue Infrastruktureinrichtungen zu schaffen". Als Beispiele nannte Wowereit das neue Tanzzentrum in den Weddinger Uferstudios oder das Atelierprogramm des Senats, das bildenden Künstlern Räume zu bezahlbaren Mieten zur Verfügung stelle. Ebenso stand für den engagierten Wahlkämpfer fest, dass - außer der Kunsthalle - eine neue Landesbibliothek gebaut werden müsse.
Angesprochen auf ein eigenständiges Kulturessort nach dem Herbst 2011 hielt sich der Regierende Bürgermeister zurück. Er sehe das nicht, sagte er, bestenfalls könne er sich die Kultur in Verbindung mit weiteren Senatsverwaltungen vorstellen. Als Grund nannte er die "Beschränkungen der Landesverfassung", die acht Senatsposten erlaube.
Der ebenfalls auf dem Podium vertretene frühere Kultursenator Volker Hassemer (CDU) hielt Wowereit vor, kein Gesamtkonzept für die Berliner Kulturlandschaft entwickelt zu haben. "Es fehlt an klaren Strategien für die Zukunft." Ein solches Konzept sei aber nötig angesichts der großen Bedeutung der Kultur sowie der Kulturwirtschaft für Berlin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren