Wovor sich Deutsche fürchten: Mehr Angst um Preise als um die Ehe
Die Ängste der Deutschen sind seit der Jahrtausendwende insgesamt gestiegen. Sie fürchten sich vor Teuerung und Naturkatastrophen.
BERLIN taz | Die Deutschen machen sich selbst oft irrationale Sorgen. Die Sorge vor einer Teuerung steht an erster Stelle, trotz der aktuell niedrigen Inflation. Angst vor dem Zerbrechen der Partnerschaft haben hingegen nur wenige, trotz hoher Scheidungsraten. Dies ergab die alljährliche Studie des Versicherungskonzerns R+V "Die Ängste der Deutschen 2010".
Obwohl die Preissteigerungsrate derzeit so niedrig ist wie selten zuvor, haben 68 Prozent der Befragten Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten. Diese Sorge steht auch im Langzeitvergleich von 20 Jahren an erster Stelle, erklärte R+V-Konzern-Sprecherin Rita Jakli. Auch die Angst vor Naturkatastrophen nimmt inzwischen breiten Raum ein. 64 Prozent der Befragten erklärten, sich vor Naturkatastrophen zu fürchten. Das war eine Steigerung um 8 Prozentpunkten im Vergleich zum Jahr davor und der bislang höchste Wert.
Die Befragung von 2.500 Personen fand von Mitte Juni bis Mitte Juli statt, also noch vor der Flut in Pakistan, aber nach dem Erdbeben in Haiti, der Vulkanwolke aus Island und der Ölpest im Golf von Mexiko, zählte Jakli auf. Die Ölpest als "Naturkatastrophe" zu bezeichnen, dürfte allerdings mancherorts auf Widerspruch stoßen.
Interessanterweise nimmt die Angst vor Jobverlust weniger Raum ein, als man im Zuge der vergangenen Wirtschaftskrise vermuten könnte. 61 Prozent der repräsentativ ausgewählten Studienteilnehmer erklärten, sich vor einer höheren Arbeitslosigkeit in Deutschland zu fürchten, dieser Wert ist im Vergleich zum Vorjahr um 4 Prozent gesunken. Dies sei ein "erstaunliches Ergebnis" sagte der Politologe Manfred Schmidt von der Universität Heidelberg, der den Konzern bei der Studie berät.
Nur knapp ein Viertel der Befragten erklärten, sich vor dem Zerbrechen der Partnerschaft zu fürchten, das war der niedrigste Wert aller 16 abgefragten Ängste. Dabei würden rein statistisch 38 Prozent der Ehen geschieden, führte Jakli auf.
Die Ängste der Deutschen sind seit der Jahrtausendwende insgesamt gestiegen. So hat die Angst vor einem sinkenden Lebensstandard im Alter und davor, ein Pflegefall zu werden, deutlich zugenommen. 42 Prozent der Befragten befürchten, dass durch vermehrten Zuzug von Ausländern Spannungen entstehen könnten. Dieser Wert ist nur geringfügig gestiegen und liegt genauso hoch wie der Anteil der Studienteilnehmer, die vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung Angst haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml