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Archiv-Artikel

Wohnungen als Markt KOMMENTAR VON ULRIKE HERRMANN

Es ist ein riskanter Ausverkauf. In Dresden hat der US-Immobilienfonds Fortress jetzt für 1,7 Milliarden Euro 48.000 Wohnungen der Stadt erworben. Diese Transaktion ist nicht ungewöhnlich: Internationale Fonds haben bereits 900.000 öffentliche Wohnungen in Deutschland gekauft. Branchenexperten schätzen, dass bis 2010 eine weitere Million veräußert wird.

Die Mietwohnung wird zum Markt. Die Investoren geben offen zu, dass sie nur eines interessiert: die Eigenkapitalrendite. Noch lassen sich üppige Gewinne erzielen, ohne dass die Mieter allzu sehr bluten müssen. Der Trick: Die besseren Wohnungen werden verkauft, meist an die Mieter selbst, die oft dankbar sind, Eigentum erwerben zu können. Außerdem liegen die Zinsen momentan sensationell niedrig und weit unter den Mieteinnahmen. Die Fonds müssen also nur billige Kredite aufnehmen, um enorme Eigenkapitalrenditen zu kassieren. Zudem bleibt die Option, das Wohnungspaket mit Aufschlag an der Börse zu platzieren.

Doch was ist in ein paar Jahren? Irgendwann sind die besseren Wohnungen verkauft; zudem könnten die Kreditzinsen wieder steigen. Dann wird es für die Fonds schwieriger, die angepeilten Gewinne zu erwirtschaften. Sie werden also versuchen, die Mieter auszuquetschen. Zumindest in den Ballungsräumen dürfte dies gelingen.

Mietwohnungen sind aber kein Markt, obwohl sie nun „marktförmig“ organisiert werden, und Mieter keine normalen Kunden, sondern erpressbar. Sie können nicht beliebig zwischen Wohnungen wählen, sondern sind gebunden – durch Arbeit, Einkommen, die Schule ihrer Kinder.

Besonders wehrlos sind Arme und Arbeitslose. Bei Investoren sind sie unbeliebt. Und die Städte schaffen gerade ihre Sozialwohnungen ab. Wohin also mit ihnen? In miese Gegenden, die in Zukunft noch deutlicher an Slums erinnern werden. Der Trend zur Klassengesellschaft wird sich verstärken.

Der große Ausverkauf ist jedoch auch für die Kommunen riskant: Sie werden in Zukunft noch teuer dafür bezahlen müssen, ihre Armen bei den Fonds unterzubringen. Gut möglich, dass es am Ende billiger gewesen wäre, die Wohnungen zu behalten.

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