Wilm Herlyn, dpa-Chef: Zugspitze ist out

Die wichtigen Nachrichten lässt er durch. Die unwichtigen landen im Papierkorb. Wilm Herlyn entscheidet mit seinen Mitarbeitern, was Journalisten lesen sollen. Als Chefredakteur der Deutschen Presse Agentur (DPA) lenkt er den größten Nachrichtenfluss der Republik. Über 2.000 Meldungen werden in der Zentralredaktion Text des Nachrichtengroßhändlers in Hamburg koordiniert.

Trotz seines stressigen Jobs strömt Herlyn eine angenehme Ruhe aus. Er redet nicht sehr laut, und bevor er antwortet, lässt er gern ein paar Sekunden verstreichen. Sein Büro ist das einzige in der Redaktion, in dem noch geraucht werden darf. Manchmal, sagt er, würden seine Kollegen ihn dort besuchen, nur um entspannt eine Zigarette zu rauchen.

Herlyn hat in Würzburg, Salzburg und Berlin studiert. In seiner Berliner Zeit pflegte er Kontakte zu Apo und RAF. Nach Stationen bei Welt und Rheinischer Post wurde er Chef der Hamburger DPA-Zentrale. Diese Adresse könnte sich demnächst ändern. Die DPA prüft derzeit einen Umzug nach Berlin. Dabei geht es auch ums Sparen. „Wenn wir bei den kommenden Umstrukturierungen erkennen, dass wir das eine oder andere sparen können – auch an Manpower – werden wir unsere Konsequenzen daraus ziehen, aber so wie wir es immer gemacht haben: auf sanften Wege“, sagt Herlyn.

Vor ein paar Jahren war ein Umzug für Herlyn kein Thema. Der Standort sei für eine Agentur nicht wichtig, sagte er da. „Wir könnten auch von der Zugspitze aus arbeiten.“ Heute relativiert er das. Man müsse, um von der Zugspitze zu arbeiten, mehr Personal beschäftigen, besser technisch vernetzt sein und zudem die Bundesregierung bewegen, auf die Zugspitze zu kommen.

Medienwissenschaftler befürchten allerdings, dass sich die jetzt avisierte Nähe zur Berliner Politik negativ auf die redaktionelle Unabhängigkeit auswirken könnte. „Wenn die Zentralredaktion der DPA nach Berlin gehen würde, dann ganz sicher nicht unter die Käseglocke zwischen Reichstag und Restaurant Borchardt“, sagt Herlyn. Dann muss er aber wirklich los. Zum Kiosk. Neue Zigaretten holen.

JOHANN TISCHEWSKI

WILM HERLYN, 64, seit 1991 Hamburger DPA-Chef, entdeckt gerade sein Faible für die Hauptstadt. FOTO: DPA