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Archiv-Artikel

Wilhelm Tacke empfiehlt: Kleiner als klein

Wer etwas für Tüdelkrom übrig hat, dem sei der Gang ins Gerhard-Marcks-Haus empfohlen. Das Bremer Bildhauer-Museum bietet nämlich mit seinen Miniaturplastiken den Gegenpart zur Schweriner Show des Hitlerschen Bodybuilders Arno Breker. In Bremen zählt weder (körperliche) Größe noch die exakte Abbildung der Muckis, hier zählt „small is beautiful“. Da hat der Bremer Bildhauer Gerhart Schreiter beispielsweise die Wachsreste einer Kerze bearbeitet und A.R. Penck mit dem Taschenmesser die Reste eines Korkens einer Weinflasche – vermutlich beim stillen Inhalieren – zu schalkhafter Kunst veredelt. Wilhelm Gerstel hingegen schuf – vermutlich aus Langeweile – winzige Holzskulpturen mit einem Taschenmesser, das er sich aus einem zerborstenen Zeltpflock in der französischen Gefangenschaft im Ersten Weltkrieg bastelte. Auch Große wie Giacometti, Kolbe, Schmidt-Rottluff, Niki de Saint Phalle und Picasso versuchten sich am Kleinen. Schmidt-Rottluff schaffte es mit wenigen Veränderungen aus einem Kieselstein seinen „Kopf mit einem Ohr“ zu formen. Egal ob aus Geldnot, Beiläufigkeit oder Lust an der kleinen Form. Sie alle schufen Großes im Kleinen. Dass das leichter gesagt als getan ist, verrät Henri Matisse: Je kleiner die Skulptur, desto stärker müsse das Wesentliche der Form heraustreten. Die Miniaturen sind mithin kein Kinderspiel. Wer also Miniatur-Kunst statt Muskelpakete sehen will, ist im kleinen Museum neben der Kunsthalle goldrichtig.

Noch bis zum Sonntag, Gerhard Marcks Haus

Fotohinweis: WILHELM TACKE ist Pressesprecher der Katholischen Kirche Bremen