piwik no script img

Wie bei Hase und Igel -betr.: "Gen-Tech genehmigt", in taz vom 23.11.93

Betr. „Gen-Tech genehmigt“ in taz vom 23.11.93

Ase schreibt: In den neuen Hochsicherheitslaboren „soll... das Verhalten von HIV und Hepatitis A-Viren untersucht werden. Dabei sollen die Viren allerdings nicht gentechnisch verändert, sondern ihre Erbteile in andere Bakterien eingebaut und dort zu Forschungszwecken vermehrt werden.“

Dazu wollen wir Folgendes feststellen: Viren und Bakterien ist gemeinsam, daß sie mit dem bloßen Auge nicht zu sehen sind, ansonsten handelt es sich um zwei sehr verschiedene Dinge: Während Bakterien zweifelsohne Organismen – Lebewesen – sind, ist dies bei Viren umstritten und nicht eindeutig zu entscheiden. Soviel zu den „anderen Bakterien“.

Es freut uns zu hören, daß Frau Prof. Vallbracht nicht vorhat, die Viren genetisch zu verändern. Aber eben dieses macht sie mit den Bakterien: sie manipuliert sie gentechnisch durch den Einbau des Erbgutes von ziemlich gefährlichen Viren. Eine Virusinfektion besteht ja gerade darin, daß Viren ihr Erbgut in andere Organismen einschleusen. Menschliche Darmbakterien (E.coli) sollen so manipuliert werden, daß sie zu Trägern des HIV- oder des Hepatitis A-Virus werden, „um sie zu vermehren“. Eine beruhigende Vorstellung!

Der Artikel weckt (sicher ungewollt) den Eindruck, daß die Kritik an den Labors sich im wesentlichen auf mögliche Sicherheitsmängel bezieht. Dies ist jedoch falsch. im Grunde ist es ja schon fast peinlich, bei der Auseinandersetzung um die Gentechnik die Möglichkeit von Flugzeugabstürzen oder Erdbeben bemühen zu müssen. Das Problem besteht jedoch darin, daß KritikerInnen keine anderen legalen Einflußmöglichkeiten auf die Genehmigung von Gentechnik-Anlagen und -Labors haben. Forschungslabore werden in einem nicht-öffentlichen Verfahren genehmigt. Das bedeutet, daß wir formal Widerspruch einlegen müssen, um zu erfahren, was da überhaupt genehmigt werden soll. In einem solchen Verfahren dürfen dann aber nur Sicherheitsmängel moniert werden. Inhaltliche Kritik an der Genehmigung ist aber ausdrücklich nicht relevant.

Das Ganze ähnelt einem Hase-und-Igel-Rennen, bei dem die KritikerInnen immer nur auf Entscheidungen reagieren können: Vor einigen Jahren fand eine Diskussion um Gentechnik an der Bremer Uni nicht statt. Wozu auch, es war ja nichts beantragt. Als jedoch die Anträge liefen, bestand die einzige Einspruchsmöglichkeit darin, nachzuweisen, daß nicht genügend Feuerlöscher eingeplant wurden.

Selbst die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben sich erst nach Einreichen der Widersprüche mit der Materie eingehender aber unverbindlich auseinandergesetzt, zu einem Zeitpunkt also, wo selbst die politischen Entscheidungsinstanzen keinen Einfluß mehr auf das Genehmigungsverfahren hatten.

P.S.: Die Genehmigung bezieht sich ausschließlich auf die Labore, nicht auf bestimmte Versuche. Alle weiteren Experimente müssen nicht mehr genehmigt, sondern nur noch gemeldet werden!

Betr. Das Blödeltum und die Kunst“, taz vom 16.11.1993

Ich hätte beinahe im ersten Moment spontane Zustimmung geäußert... Doch bei näherem Hinsehen schlug diese in Ärger über die Scheinheiligkeit um. Ich erinnerte mich an eine Menge doch nicht geschriebener Leserbriefe, in denen ich mich schon längst einmal über Ihre oftmals polemischen, selbstgefälligen und dadurch unfairen Schreibstil (speziell bei Berichterstattung Kunst/Theater) aufregen wollte. Als jüngstes Beispiel sei hier nur die unselige Verknüpfung von Andreas Wegeners Namen mit dem „Hosen runter“-Zitat (Kunstprojekt Remberti-Kreisel) genannt. Wer das einmal gelesen hat, vergißt es nicht so schnell wieder. Pech für den Künstler – Lacherfolg für den Schreiber – zufrieden? Jedenfalls drängte sich mir beim o.g. Artikel der verdacht auf, daß so mancherlei Mal mit zweierlei Maß gemessen wird: „Volkes Stimme“ aus der konservativen, reaktionären oder gar faschistischen Ecke wird einerseits natürlich verurteilt; andererseits gibts aber anscheinend eine durch Sie als Sprachrohr vertretene Volksstimme aus der „anderen“, progressiven(?) Ecke, die sich hingegen auf der taz-Kulturseite durchaus oft und gerne über die Kunst lustig machen darf und soll, bzw. sie (die Kunst) durch unüberhörbare ironische Zwischentöne einfach ins Abseits stellt. Wenn es Ihnen tatsächlich um eine ernsthafte Kunstkritik geht – die sicher öfter vonnöten wäre (auch ohne Samthandschuhe und Fremdwörterlexikon) – so ist doch wohl zumindest die erste Voraussetzung dafür, die Arbeit der/des Anderen zu respektieren und das Sujet ernst zu nehmen. Denn:“Die Volksmassen“, für die „moderne Kunst“ schon immer grundsätzlich Betrug und Spinnerei war, gibt es sowieso – ob mit oder ohne taz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen