: Wie Nazi-Nachfolger -betr.: "Blutrote Friedenstauben", taz vom 24.7.1995
Betr.: „Blutrote Friedenstauben“, taz vom 24.7.
Endlich geschafft! Bilder von hungernden, fliehenden, verelendeten Menschen auf der einen, der serbische Aggressor auf der anderen Seite. Viele ehemalige Linke finden in ihrer Parteinahme für einen Nato-Angriff unter deutscher Beteiligung – gegen „die Serben“ natürlich – ihre neue, altbekannte nationalistische Heimat.
Haben Sie die Propagandabilder von abgeschlachteten Babys in Kuweit-City vergessen? Haben Sie die Bilder aus Rumänien vergessen, in denen uns seit Monaten Tote als gerade von der Securitate hingeschlachtete Menschen präsentiert wurden? All die Lügen, die uns immer wieder Menschen verschiedener Bevölkerungsgruppen mal als Kroaten, Serbinnen, Muslime, je nach Bedarf verkaufen? Wissen Sie nicht, daß sich hinter den „Geländegewinnen“ der muslimisch-kroatischen Allianz ebenfalls Obdachlosigkeit und Tod verbergen; „Geländegewinne“, die übrigens –zigmal größer sind als die der bosnischen Serben? Alles serbische Aggression? Tudjmann (alter Ustascha-Faschist) und Izetbegovic' (reaktionärer Nationalist) als Kämpfer für Frieden und Freiheit?
Wollen sie nicht wissen, wer und wann diese Kräfte mit Waffen versorgt, inklusive Irak-Erfahrene Counter Insurgency Berater? Haben Sie vergessen, daß es die BRD-Regierung war, die mit der Anerkennung Kroatiens und Sloveniens die Sezession Jugoslawiens forcierte? Daß „friedensstiftende Maßnahmen“ nur der Einfluß- und Herschaftssicherung und niemals dem Frieden dienen?
Nein, die „Linken“ a la Hucky Heck, Klaus Wolschner, Rathfelder und andere Konsorten wissen um die einseitigen Propagandafeldzüge, um die Komplexität der Verhältnisse im ehemaligen Jugoslawien. Anstatt darüber zu informieren, die Politik der beteiligten Regierungen bloßzustellen, die Gruppen zu stärken, die sich der Rassifizierung entgegenzustellen, vollziehen Sie die Wandlung der Nato vom imperialistischen Knüppel der Industriezentren zur größten und bestbewaffnetsten Menschenrechtsvereinigung der Welt mit.
Folgt da noch der Hinweis auf die Verantwortung des Nazi-Nachfolgestaates BRD und damit die Forderung nach militärischem Eingreifen, ist die Sachlage endlich geklärt. Klare Feindbilder, nationale Stärke, einfache Lösungen. Wenn euch dann die vielzitierten Kinder wieder einmal die Frage stellen, könnt Ihr getrost antworten: Ja, Serbien mußte sterbien, wir haben unseren Interessen gezielt zum Durchbruch verholfen.
Mathias Rothstein
sparen“ (taz vom 20.7.95)
Liebe Leute!
Im Jahr 1995 haben Deutschland und deutsche Regierungen immer noch nicht begriffen, daß es kein minderwertiges Leben gibt und daß kein Leben minderwertig sein soll, stattdessen wird per Gesetzentwurf auf manifestierende Stigmatisierung gesetzt, so nach dem Motto: Du bist SozialhilfeempfängerIn, du hast nachzuweisen, daß du von anderen nichts zugesteckt bekommst. Wohngemeinschaften haben zu versichern, daß sie in keinem Fall den/die MitbewohnerIn / SozialhilfeempfängerIn unterstützen. Jede Mitmenschlichkeit soll unterbunden werden, – wie schon einmal –, SozialhilfeempfängerInnen sollen jeder Willkür ausgeliefert sein und sich damit auch noch einverstanden erklären. Sie sollen bereit sein, jede „zumutbare“ Arbeit anzunehmen, die es gar nicht gibt. Furchtbar. Genau wie das öffentliche Schweigen zu all den selbsternannten LobbyistInnen der Armen, der Beratung der Armen für unsere Lebenswirklichkeit, das Schweigen derer, die sich per Namen zur Aktionsgemeinschaft mit Arbeitslager gemacht haben (z.B. treffen alle drei Punkte auf die AGAB zu). Sie tritt in der Öffentlichkeit nur in Erscheinung, wenn es um ihre persönlichen Stellen geht. Jetzt schweigen sie hartnäckig, um Stadtsponsoring nicht zu gefährden. Aber über den Fortbestand der Initiativen werden wir Betroffenen entscheiden. Entscheiden, wer bei unserem Alleinvertretungsrecht unterstützt wird und wer nicht. Jedenfalls nicht die, die nur an unserer Situation viel verdienen, solche Gesetzesentwürfe kommentarlos Wirklichkeit werden lassen wollen, um uns dann neu zu beraten. So, jetzt ist Ärger und Zukunftsangst von der Seele.
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