piwik no script img

Wider den Zeitgeist - Gedenken an die Bremer Räterepublik

Jahr für Jahr Anfang Februar versammelt sich auf dem Waller Friedhof eine Koalition roter Fahnen, die dem Zeitgeist trotzt: DGB-Jugend, DKP, PDS, SPD, SDJ-Die Falken, VVN, Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD. Rund 150 Menschen waren auch gestern dabei. „Wir sind ja ein bißchen in der Defensive, man sollte aber nicht aufgeben“, sagte Willy Hundertmark, unermüdlicher Vorsitzender der VVN, und schlug als Lied das „Avanti Popolo, bandiera rossa“ vor und - wie immer - zum Abschluß „Brüder zur Sonne zur Freiheit“. Die kleine Demonstration gedachte der 29 Toten, die 1919 im Kampf um Bremen auf der Seite der Bremer Räterepublik gefallen waren.

Das breite Bündnis im Totengedenken gibt es erst seit 1970, erinnerte Heinz-Gerd Hofschen, der mit Barbara Wulff für die Sozialdemokratie zum Erinnern gekommen war. Die „MSPD“ hatte sich 1918/19 gegen das Räteexperiment von USPD und Spartakus gestellt, MSPD-Minister Noske aus Berlin die militärische Beendigung des Experiments nach nur 25 Tagen befohlen.

In dem Freikorps, das gegen die Arbeiter siegte, haben auch bremische Freiwillige gekämpft. Ihre Spur hat sich in der bremischen Geschichte offenbar schnell verloren - kein Denkmal feiert ihren Sieg über den drohenden „Bolschewismus“. Nur in Delmenhorst, wie ein Wächter vor den Toren Bremens, erinnert noch der Name der Kaserne „Caspari“ daran, was den Linksradikalen in Bremen droht, wenn sie zu weit gehen.

Die Besucher der kleinen Gedenkfeier freuten sich sichtlich über die Gelegenheit, noch einmal aus voller Brust die alten Arbeiterlieder singen zu können. Der Redner der kleinen Feier, Hofschen, kritisierte die Methoden, „die nicht immer demokratisch waren“, und lobte die „Ziele“ der Räterepublik - „Ausbeutung von jeder Art der Ausbeutung und Unterdrückung“. Damit ist die Räterepublik aktuell wie eh und je - und das Gedenken „ein Aufruf zum Handeln“. Die Besucher hörten es gerne.

K.W./Foto: T. Kleiner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen