Wetterkontrolle in SciFi und Realität: Wer stimmt für Dürre in Australien?

In Theodore L. Thomas' Science-Fiction kontrolliert und macht eine Weltregierung mit „Sonnenschlitten-Piloten“ das Wetter. Und wer managt die Erderhitzung?

»Solar Radiation Management« ahmt den Effekt eines Vulkanausbruchs auf die Atmosphäre nach Bild: Reuters

DIE UTOPIE

von Theodore L. Thomas

Der Wetter-Kongreß war das oberste Schiedsgericht der Erde. Er konnte Staaten, Nationen, Kontinente und Hemisphären seinem Willen unterwerfen. Welcher Diktator, welches Land konnte überleben, wenn ein Jahr lang kein Tropfen Regen fiel? Oder welcher Diktator, welches Land konnte überleben, wenn alles in Eis und Schnee erstarrte? Der Wetter-Kongreß konnte den Kongo einfrieren lassen oder den Amazonas austrocknen. Er konnte die Sahara oder Feuerland überfluten. Er konnte die Tundra tauen und nach Belieben den Meeresspiegel heben oder senken. [...]

Inzwischen hatten viele Ausschußmitglieder Platz genommen. Wieder ertönte ein Gong, und den Anwesenden wurden die einzelnen Klimaforderungen vorgelesen. Das war die Aufgabe des Protokollführers, und seine Stimme erreichte jeden Schreibtisch über einen winzigen Lautsprecher. Gleichzeitig tauchten die Forderungen schriftlich an der großen Tafel auf. So konnten sich die Ausschußmitglieder mit anderen Arbeiten befassen, während sie einen raschen Blick auf die Anfragen richteten.

Dieser Beitrag stammt aus taz FUTURZWEI N°10.

Die erste Forderung kam wie üblich von den Kakteenliebhabern. Sie wünschten sich für das Todestal weniger Regen und mehr Öde, damit der Kandelaberkaktus nicht ausstarb.

[…] Der Präsident von Bolivien beschwerte sich, daß die Gegend um Cochacamba für seine Begriffe etwas zu kühl wurde. Der Bürgermeister von Avigait in Grönland stellte fest, daß die Getreideernte in diesem Jahr zehn Prozent schlechter stand als sonst, da zwei Zoll mehr Regen gefallen waren und die Wolkendecke zu dicht lag. Wilburn nickte; diesen Fall mußte man näher behandeln. Er drückte einen Knopf mit der Aufschrift „befürwortet“. Damit erreichte er, daß der gesamte Ausschuß sich die Frage überlegen würde.

[…] Der Präsident verlas die Reihenfolge der Redner für und wider die Dürre in Australien. Die Ausschußmitglieder lehnten sich zurück. Abgeordneter DuBois sprach die einleitenden Worte. Er drückte sein tiefes Bedauern darüber aus, daß der Ausschuß gezwungen wurde, die Prinzipien des Wetter-Kongresses anzuwenden. Wilburn fand die Rede gut. Niemand zweifelte an DuBois Ehrlichkeit. Als er die Resolution vortrug, standen ihm Tränen in den Augen und seine Stimme zitterte. Dann erhob sich der erste Abgeordnete von Australien, um gegen die Resolution zu protestieren.

Wilburn schob den tragbaren Empfänger in die Tasche, drückte auf den Knopf, der anzeigte, daß er sich nicht in der Kabine befand, und verließ das Forum. Viele Abgeordnete taten das gleiche. Sie suchten die Mitgliederkantine auf, wo sie ungestört eine Tasse Kaffee trinken konnten, ohne von Wählern, Reportern, Lobbyisten oder Neugierigen gestört zu werden. Bei Kaffee und Brötchen unterhielten sie sich. Das Gespräch drehte sich nur um die kommende Abstimmung, und es war nicht schwer zu erkennen, daß die Mehrzahl eine Dürre befürwortete. Die Abgeordneten sprachen leise, um gleichzeitig den Ausführungen im Forum folgen zu können; jeder hatte seinen Taschenempfänger und das winzige Ohrmikrophon bei sich. Die Unterhaltung wurde nur lauter, als sich deutlich zeigte, daß der australische Abgeordnete nur wieder die alten „Ihr-könnt-uns-nicht-leiden-lassen“ – und „Gebt-uns-noch-eine-Chance“-Argumente brachte. Der Ausgang der Abstimmung stand ziemlich fest.

Zitiert aus: Theodore L. Thomas: Die Wettermacher. In: Arthur C. Clarke: Komet der Blindheit. Eine Science-Fiction-Anthologie. Wilhelm Heyne Verlag, 1971 (amerikanisches Original: 1966), S. 24  f. und 28.

Hochwasser in Australien Bild: Reuters

WAS AUS DER UTOPIE WIRD

von Zoë Herlinger

Ohne Frage ist der Mensch ein ziemlich effektiver »Wettermacher«, nur leider eher unfreiwillig und zu seinem eigenen Nachteil. Da, wo zweckgerichtete Klimabeeinflussung diskutiert wird, handelt es sich nicht um den Luxus von gesteigerten Ernten oder Dauersonne in Ferienorten, sondern um schiere Schadensbegrenzung.

Auch die technischen Möglichkeiten sind nicht so glamourös wie in Theodore L. Thomas' Geschichte, in der »Sonnenschlitten-Piloten« durch spektakuläre Manöver die Sonnenoberfläche selbst manipulieren. Im echten Leben spielt sich das Klimakatastrophenmanagement auf der Erde ab und heißt Geoengineering. »Carbon Capture and Storage« soll dafür sorgen, CO2 zu binden und unterirdisch oder submarin zu speichern. Der Platz dafür ist freilich beschränkt, aber immerhin setzt CCS am eigentlichen Problem der atmosphärischen CO2-Konzentration an.

Reine Symptombekämpfung ist dagegen »Solar Radiation Management«: Dabei sollen riesige Reflektoren in der Wüste, auf den Ozeanen und im All eine Kühlung bewirken, indem mehr Sonnenwärme in den Weltraum zurückgestrahlt wird. Die drastischste Maßnahme besteht darin, mit speziell umgebauten Flugzeugen Schwefel-Aerosole in die Stratosphäre zu spritzen. Das verspricht einen kühlenden Effekt ähnlich wie nach Vulkanausbrüchen.

Die Kehrseiten sind massiv: Über mittel- und langfristige Folgen kann nur spekuliert werden – wahrscheinlich ist zum Beispiel, dass ein späteres Einstellen der Sulfat-Spritzen einen sprunghaften und damit verheerenden Anstieg der globalen Temperaturen zur Folge hätte. Beinahe alle Vorhaben widersprechen anderen, bereits mühsam verhandelten umweltpolitischen Zielen. Vor allem lenkt die Botschaft, es gebe für alle Probleme eine bequemen Plan B, vom eigentlichen Gebot einer verpflichtenden Emissionsreduktion ab.

Anlage zur CO2-Speicherung in Island Bild: Arni Saeberg // Climeworks // The Helena Group Foundation

Es ist also auch seinen Befürwortern klar, dass Geoengineering nur allerletztes Notfallmittel sein darf. Ob es andererseits sinnvoll ist, es grundsätzlich zu blockieren, wie in einem entsprechenden Manifest gefordert wird, ist trotzdem fraglich. Zumindest zu Forschungszwecken ist es wohl nötig, gerade um eine extrem sorgfältige Risikoevaluation zu gewährleisten und einen globalen Rechtsrahmen zu schaffen.

Speziell im Fall der Sulfat-Aerosole wäre ein nationaler Alleingang extrem gefährlich. Da es sich um eine vergleichsweise billige Technologie handelt, könnte eine bedrohte Region einen Einsatz starten, ohne Konsequenzen für andere Teile der Welt zu berücksichtigen. Noch dramatischer wäre ein gezielter militärischer Einsatz, zum Beispiel, indem Hurrikane lokal verstärkt oder vervielfacht werden.

Um solche Szenarien zu verhindern, braucht es dringend international bindende Verträge und eine Kontrollinstanz, die Thomas‘ »Wetter-Kongress« ähneln könnte. Bei der letzten Tagung des UN-Umweltprogramms im März in Nairobi sollte auch tatsächlich ein erster Schritt in diese Richtung getan werden. Gegen die Resolution gestellt haben sich die USA, Saudi-Arabien und Brasilien – angestachelt von der Formulierung, oberstes Ziel habe nach wie vor die Begrenzung des Treibhausgasausstoßes zu sein. Auch eine »entschärfte« Form fand keinen Konsens. Die Vertreter der größten Ölförderer und eines Präsidenten, der im großen Stil Regenwaldabholzungen angekündigt hat, sind ganz froh, wenn das Thema heruntergespielt wird und unreguliert bleibt.

So macht die Politik so lange das Wetter, bis irgendwann das Wetter die Politik macht. Teile der Erde sind schon längst in dieser Phase angekommen.

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