■ Wen interessiert diese Mischungaus Voyeurismus und Vermutungen? : Feindlich übernommen?
betr.: „Baader soll Kind im Gefängnis gezeugt haben“, „Stöhnen aus der Zelle“, taz vom 17. 11. 03
Wofür braucht die Welt eine solche Information auf diesem Niveau? Wie gelangt eine solche Schlagzeile auf eure erste Seite? Glaubt ihr, das steigert die Verkaufszahlen? Wenn ich Klatsch-Tratsch-und-Sperma-Geschichten lesen wollte, würde ich die Bild-Zeitung kaufen. Von euch hätte ich eine seriösere Auseinandersetzung mit einem Thema wie „Gefangenschaft und Sexualität“ o. Ä. erwartet. DIMA ZITO
Nichts ist verwunderlich daran, dass in Hochsicherheitstrakten gevögelt wird. Nichts ist verwunderlich daran, dass dies politisch ausgewertet wird. Ich warte auf den Tag, an dem über Menschen geschrieben wird, die keinen Sex empfinden. MAX ROSIN, Berlin
Feindlich übernommen? Wir stecken dem Kind, dass Baader sein Vater ist. Vielleicht hat die Mutter ja entschieden, NICHTS zu sagen … Aber die Öffentlichkeit hat doch ein Recht auf den Dreck von gestern! BILD dir deine Meinung! (Demnächst auch noch das passende Foto.) PETER KERN, Kassel
Gibt es nichts Wichtigeres, als auf Seite 1 über das Sexleben von Baader zu berichten? Und noch dazu auf der Basis von Vermutungen eines Vollzugsbeamten? Die neue „Unterhaltungstaz“ ist tief gesunken und sehr ärgerlich! MICHAELA TREU, Hamburg
Sollte die taz jetzt doch ein linkes Klatschblatt werden? […]
Da demonstrieren einige hundert Menschen am Sonntag vor dem Stadtparkrestaurant in Bochum, wo sich die Spitzen der SPD versammeln, die für die derzeitige katastrophale und unsoziale Politik verantwortlich sind. Da wird eine der SPD zugestandene 300-Meter-Bannmeile um den Tagungsort als unrechtmäßig (weil das Recht auf Demonstrationsfreiheit höher steht) zu Fall gebracht. Da schließen sich die Sozialforen des Ruhrgebiets zu einer gemeinsamen Aktion zusammen. Und die taz übernimmt lediglich ein kurze, knappe, nichts sagende dpa-Meldung auf Seite 2 und zitiert auch noch den Polizeibericht, und das war es. Dafür aber Klatsch auf der ersten Seite. Da soll man nicht verzweifeln? […] ULRICH LANGE, Bochum
Natürlich mögen taz-Leser auch Klatsch, manchmal auch Schund und Banales. Mehr als genug davon liefert die Boulevardpresse. Dass ich diese für die Öffentlichkeit absolut unwichtige Geschichte über „Baader zeugte Kind im Knast“ nun auch noch in der taz lesen muss, erstaunt mich doch sehr. Volontiert noch einer eurer Lieblingsfeinde in der Redaktion? Peinlich, peinlich.
DIETER HOLWEGER, Birkenwerder
Was zur Hölle soll eine solche Mitteilung auf Seite 1? Was ist ihr Nachrichtenwert? Rein spekulativ ist sie noch dazu. Der Terroristen-Popstar hat also im Knast gepoppt. Toll. Fruchtbar war er vielleicht auch noch. Irre. Und morgen ist die Anwältin dran: „Jetzt rede ich!“ Oder? MARC TRIMBORN, Berlin
Kann mir bitte mal jemand bei Gelegenheit erklären, was diese Meldung für einen Nachrichtenwert hat, dass sie auf Seite 1 platziert wird, außerdem noch auf Seite 14 mit einer Drittelseite breit getreten werden muss? Die Anwältin ist mit geringer Mühe identifizierbar. Gnade diesem Kind! Wollt ihr jetzt der Bild-Zeitung in punkto hohler Sensationsgeilheit ab und zu mal Konkurrenz machen? BERND HONTSCHIK, Frankfurt/Main
Es ist politisch absolut uninteressant, ob Andreas Baader im Gefängnis Sex mit seiner Anwältin hatte oder nicht. Das ist (auch für eine Person des öffentlichen Interesses) rein privat, und das sollte es auch bleiben – gerade für die taz mit ihrem hohen redaktionellen Anspruch! Oder seid ihr dabei, euch von ebendiesem Anspruch zu verabschieden und auf das Niveau der Blut-und-Sperma-Blätter zu sinken?
Durch die tazzwei ist das Niveau der taz leider bereits gesunken; manches ist ganz gut geschrieben, ganz nett zu lesen, aber überwiegend völlig unerheblich, einiges auch schlichtweg Klatsch und Tratsch, der Baader-Artikel aber ist absolut indiskutabel.
Also verplempert mit diesem Unsinn bitte nicht noch zusätzlich Platz auf der Titelseite. Dann lieber wieder weniger Seiten, die aber dafür mit mehr Informationsgehalt!
MATTHIAS WOLFF, Bielefeld
Da verstehe nun einer meine taz! Einerseits soll Platz so kostbar sein, dass es nicht mal mehr für ein tägliches Fernsehprogramm reicht, aber andererseits findet sich auf der Titelseite ein Artikel, der es von Thema und Inhalt mit jeglichem Boulevardblatt aufnehmen kann. […] Die Tatsache allein, dass es sich um Andreas Baader und nicht um Dieter Bohlen, Franz Beckenbauer oder Boris Becker handelt, macht den Artikel um keinen Furz interessanter! PHILIPP KERSTING, Hamburg
Aha. Geräusche aus der Zelle. Und die Frau mit zerzausten Haaren … Aha. Sagt mal, Leute: Wo bitte steht der Bus? Der Bus mit den Leuten, die das interessiert??? Seid ihr euch sicher, dass seit der „feindlichen Übernahme“ am 27. 9. nicht irgendwo ein Maulwurf von der Bild-Redaktion bei euch untergetaucht ist? Und außerhalb der Gefängnismauern hatte die betreffende Anwältin wohl vermutlich nie Sex gehabt? Bestimmt ist sich irgendjemand auch in diesem Punkt „fast sicher“? Und selbst wenn tatsächlich „wiederholt Geräusche aus der Besucherzelle“ drangen? Entschuldigt, aber ihr widert mich an! Glaubt ihr denn, dass diese Mischung aus Voyeurismus und Vermutungen irgendjemand interessiert? […]
STEFFEN GLEISER, Erfurt
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die erscheinenden Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.