■ Was wird mit Haiti weiter geschehen?: Es geht nicht um Aristide
Der Vorschlag, die staatliche Entwicklungshilfe einzustellen und Haiti seinen Militärs zu überlassen, um die von diesen geschlagenen Wunden dann mit dem Trostpflaster nichtstaatlicher Hilfe zu verbinden: dieser als revolutionäre Offenbarung verkündete Vorschlag von Jan Eggergluzs (taz vom 3.11.) ist bar jeder Logik und Moral, denn seit Verhängung des Embargos ist die Hilfe für Haiti allemal ausgesetzt. Es geht nicht um die Rückkehr von Aristide oder um das hehre Prinzip der Demokratie, daß ein freigewählter Präsident nicht von Putschisten aus dem Amt gejagt werden darf: Es geht darum, das himmelschreiende Elend auf Haiti zu beenden, dessen Leidtragender nicht die mit der Armee verquickte Oberschicht ist, die von dem gegen sie verhängten Embargo noch profitiert, sondern die Masse der armen Bevölkerung. Diese hat mit klarer Mehrheit für Aristide gestimmt, und würde dies, wenn sie Gelegenheit dazu bekäme, morgen wieder tun.
Die Ironie der Geschichte ist, daß der Antiimperialist Aristide nur mit Hilfe von US-Truppen sein Amt antreten könnte, die schon einmal, von 1915 bis 1934, Haiti besetzt hielten – UNO und OAS dienen lediglich als Feigenblätter. Gleichzeitig spielen sich die grauen Eminenzen der Duvalier-Diktatur, die jahrzehntelang vom Ausverkauf nationaler Interessen gelebt haben, heute als Verteidiger der nationalen Ehre auf. Raoul Cédras und seine „Attachés“ haben von den serbischen Tschetniks gelernt, wie man mit der einen Hand schießt und mit der anderen Verträge unterschreibt, die man im nächsten Augenblick wieder zerreißt; und das somalische Beispiel hat ihnen gezeigt, wie verwundbar eine Supermacht ist, die einen Rückzieher macht, sobald einem ihrer Soldaten ein Haar gekrümmt wird. Solange die von Reagan und Bush formulierte Militärdoktrin gilt, die US-Interventionen nur dort erlaubt, wo sie, wie in Panama oder Grenada, ohne jedes Risiko sofort gewonnen werden, solange die CIA hinter Clintons Rücken gegen Aristide intrigiert und die öffentliche Meinung manipuliert – solange besteht keine Hoffnung für Haiti. Dessen Militärmachthaber sagten die Wiederaufnahme von Verhandlungen mit der zynischen Begründung ab, die Armeeführung verbringe ein Ferienwochende am Strand und werde dort über ihr weiteres Vorgehen beraten. Hans-Christoph Buch
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