Warum muss 2010 ausgerechnet … : Braunschweig Kulturhauptstadt sein?
Die Bewerbung Braunschweigs und der Region, unter dem Leitmotiv „Zeitlandschaften – Timescapes“, bietet erstmals eine gemeinsame Plattform zur Präsentation ihrer kulturellen Bedeutung. Diese Kulturregion verfügt über eine reiche, Jahrhunderte alte Geschichte.
In ihr verwirklichten sich deutsche und europäische Lebensformen, vom mittelalterlichen Kaisertum über die bürgerliche Kultur der Aufklärung bis zur High-Tech-Welt der Gegenwart. Die Zukunft hat hier schon begonnen: Der Raum Braunschweig ist die stärkste Forschungsregion Europas.
Der Begriff „Zeitlandschaften“ eignet sich wie kaum ein anderer, um Ziele und Perspektiven zum Ausdruck zu bringen: Die unterschiedlichen Landschaftsformationen der Region ebenso wie das Auf und Ab der wechselvollen Geschichte. In „Zeitlandschaften“ zu denken heißt, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen ernst zu nehmen.
Fruchtbar wird dies auch im Diskurs über die Globalisierung. Alle regionalen Individualitäten, ob in Wirtschaft, Wissenschaft, Alltag oder Kultur, müssen sich selbstbewusst, aber auch selbstkritisch der zentralen Herausforderung unserer Zeit stellen: dem Heraufziehen der „einen Welt“.
In der Kommune gelingt eine Neuformulierung eines urbanen Lebensideals, indem sich schöpferische Arbeit und sinnvolle Freizeit, tätige Bürgergesellschaft und autonome Kultur harmonisch verbinden.
Die Blütezeit der Städte von der Renaissance bis in die erste Moderne hat den Rhythmus der Kommune als Kulturstadt hervorgebracht. Der Siegeszug dieses Modells ist in den Verwerfungen der Industriegesellschaft und in den Katastrophen des 20. Jahrhunderts zum Stehen gekommen. Sich um die „Kulturhauptstadt Europas“ zu bewerben heißt für uns, das Beste der Vergangenheit mit dem Notwendigen der Zukunft in einer Art „Erinnerung an Morgen“ zu verschmelzen. Die Kultur-Vergangenheit der Region bietet viele erfolgreiche, bedenkenswerte Ideale, die sich als Elemente beim Neuentwurf urbaner Lebensformen eignen. Christoph Stölzl
Christoph Stölzl, Berliner Kultursenator a.D.,1987 bis 1999 Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, kuratiert seit März die Braunschweiger Kulturhauptstadtwerbung