Wand und Boden: Brotlose Kunst?
■ Kunst in Berlin jetzt: Meertens, Schröter, Bause, Fraser
Früher stellte Victor Meertens, holländisch-australischer Künstler, wuchtige Metallskulpturen her. Jetzt backt er vergleichsweise kleine Brötchen. Meertens hat den Brotteig als plastischen Stoff entdeckt, in Kombination mit dem klassischen Bildhauermaterial des Steins. Der Ziegel ist das Grundmodell; aus ihm treibt der Teig heraus; auf ihm liegt ein Brotlaib, aus dem weiteres Brot herauswächst, und er liegt auf dem Grund der sechs Aquarien, in denen Brot in Mehl gebettet ist, in denen es auf Coca-Cola oder Bier schwimmt. Schwarz- rot-weiße Zeichnungen von Brotfabriken im Stil der konstruktivistischen, russischen Architektur schmückt Meertens mit einem knusprigen Doppellaib.
Seine Mutter, Josephine Meertens-Rosier, hat sich an diese Kunst erinnert, als sie auf ihre alten Tage einen chinesischen Malkurs in Sidney besuchte und der ständigen Blumenmalerei – besonders von Lotusblumen – überdrüssig war. Neben kleinen Leinwänden, die sie nun geometrisch abstrakt bemalt, ohne die Rose oder den Lotus zu vergessen, dienen ihr auch Dinge wie eine Gartenhacke, eine Maurerkelle oder ein Spaten als Malgrund. Ihre reizvollen, sorgsam bemalten Objekte hat der Sohn mit eigenen Bildern ergänzt. Sie zeigen ein Sägeblattmotiv. In Ermangelung der Blumenmalkunst montierte er in ihre Mitte Abziehbildveilchen oder das Rosenbukett vom Senfglasdeckel. Das Arbeiten mit der Mutter ist Meertens katholischer Stil. In einer Vitrine findet sich die Schutzmantelmadonna als Sterbebildchen seiner Tante Mia Simons-Rosier neben den Fotografien vom Brotmantel, mit dem er das Modell der Kirche Sankt Rochus in Düsseldorf, zum „Sweet dome“ umarbeitete. „As Good as Bread“, so übersetzt Meertens Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien den Satz von der 'brotlosen Kunst'.
Bis 14. 5., Studio II, Di-So 14-19 Uhr, Mariannenplatz 2
Eine Art Vorhang aus mattgrauen Metallplatten trennt die Kunst vom Brot, genauer, von der Kuchen- und Kaffeebar in der Galerie im Körnerpark des Kunstamtes Neukölln. Stefan Schröter hat ihn aufgehängt und mit wenigen gelben Farbgesten versehen. Gemeinsam mit Michael Bause bearbeitet oder befragt er die „Un ort nung“ des Raumes. Auf eine riesige, von Rost- und Sandspuren durchzogenen Bauplane setzt er wenige weiße Ölfarbinseln und -streifen. Der Wucht dieser aktuellen Arbeit setzt er fragile Raumskulpturen entgegen. Etwa eine hölzerne Leiter, die seitlich auf dem Boden liegt, während über sie gebreitete Latten an ihren Enden mit schwarzen Briketts beschwert sind. Eine andere Leiter balanciert mit zwei Stühlen auf vier Kaffeetassen.
Michael Bause legt sein „Raumbild Luftbildatlas II“ am Ende der ehemaligen Orangerie auf dem Fußboden aus. Es zeigt die Luftaufnahme einer ländlichen Gegend, auf die eine grafische Struktur gezeichnet ist, die den Molekülaufbau des seltenen Minerals Cristobalit verbildlicht, das Sauerstoffatome, grüne Punkte, mit Siliziumatomen, blaue Punkte, bilden. (Pseudo-)Technisch-wissenschaftliche Grafik ist auch bei der dreiteiligen Arbeit „Kleine Fernseh-Bildfehler-Fibel“ assoziiert. Alte, auf Millimeterpapier gedruckte Fotos stehen neben einem gezeichneten Frauenkopf, dessen Hintergrund ein undefinierbares Raster bildet.
Bause und Schröter finden ihr Material als Abfall des Alltagslebens. Bauses Alltagsästhetik ist kunstferner als die von Schröter, weil die grafischen Versatzstücke, mit denen er arbeitet, in Gebrauch sind: perfekt funktionierende Codes im Kontext ihrer üblichen Verwendung. Was Bauses und Schröters fragmentarischen Raumbildzeichen verbindet ist ihr Signalcharakter. Sowohl die weiße Farbe auf grauen Holztafeln bei Schröter wie die Schnittmengen-Grafik bei Bause funktionieren wie Ausrufungszeichen. Weil man aber nicht weiß, worauf sie zielen, entpuppen sie sich als Fragezeichen.
Bis 14.5. Di-So 11-17 Uhr, Schierkerstraße 8
Was Victor Meertens Mutter langweilte, Lotusblumen, fasziniert die Kanadierin Elisabeth Fraser. Der Lotus ist Ausgangspunkt ihrer Ethno-Ornamentik in der Galerie Augustus. Sechsfach geflochten, schlingt er sich in einer Goldfolienrosette ohne Anfang und Ende. Elisabeth Fraser hat den Scherenschnitt mit der Computergrafik modernisiert. Die Muster sind erfunden, doch sie scheinen alt. Sie lehnen sich an archetypische Ornamentik an, an den Flammenbusch, das Feuerrad; die Auflösung einer geometrischen Grundform wie dem Quadrat in organisch-schwingende Wogenhände erinnert an Eschers Vexierspiele. Schön ist ein chinesisches Gitter, in dem sich Motten verfangen haben. Andere Bilder erinnern von ihrer merkwürdigen Farbigkeit her an das Design des „Wachturm“. So auch ein Froschbild. Der Text dazu allerdings ist ein alter schwarzer Song, der Frasers volkskunsthafte Grafik gut charakterisiert: „What a wonderful bird the frog are.“
Bis 9. 5., Mo-Fr 14-19, Sa 11-14, So 12-17 Uhr, Auguststraße 61 Brigitte Werneburg
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