Wahlkampf im Iran: Ahmadinedschads Wiederwahl gesichert
Nachdem Revolutionsführer Chamenei sich hinter den Amtsinhaber gestellt hat, dürfte das Rennen um die Präsidentschaft vorzeitig entschieden sein.
BERLIN taz | Die Islamische Republik Iran wählt am 12. Juni ihren neuen Präsidenten. Selbst wenn es verlässliche Umfragen gäbe, wären Prognosen über den Wahlausgang sehr spekulativ. Denn Wahlen im Iran sind nicht frei.
Der für die Wahlen zuständige Wächterrat lehnt zunächst unliebsame Kandidaten ab, dann machen sich Manipulatoren und Fälscher ans Werk. Auch Interventionen von Machthabern können den Wahlausgang beeinflussen, zum Beispiel die Einmischung des Revolutionsführers Ali Chamenei.
Nun, gut drei Wochen vor der Wahl, hat sich Chamenei eindeutig hinter den amtierenden Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad gestellt, obwohl er kürzlich beteuert hatte, er werde für keinen Kandidaten Partei ergreifen.
In einer im Staatsfernsehen übertragenen Rede sagte Chamenei am Dienstag, gewählt werden sollten "diejenigen, die vom Volk unterstützt werden und einfach und bescheiden leben", womit er unmissverständlich Ahmadinedschad meinte.
Er griff sogar andere Kandidaten an: "Ich kenne die Lage im Land besser als all diese Herren und weiß, dass ihre Kritik der Politik und Wirtschaftspolitik der Regierung nicht der Wahrheit entspricht."
Diese Wahlhilfe von höchster Instanz wird ohne Zweifel das Ergebnis der Wahl massiv beeinflussen. Denn nicht nur ultrakonservative Islamisten folgen blindlings dem Revolutionsführer. Auch die gleichgeschalteten Medien, die Geheimdienste, die Armee, die Millionen Mitglieder zählende paramilitärische Milizenorganisation der Basidjis und nicht zuletzt der bewaffnete Arm des Gottesstaates, die Revolutionswächter, stehen unter seinem Befehl.
Ahmadinedschad hat diesen Beistand bitter nötig. Denn er hat das Land wirtschaftlich in die Katastrophe geführt, innenpolitisch unter verschärften Druck gesetzt und außenpolitisch in die Isolation getrieben. Damit hat er seine Basis in der Bevölkerung weitgehend verloren. Die Kritik gegen seine Regierung wurde zuletzt selbst aus den Reihen der Konservativen immer lauter.
Der einzige Trumpf, mit dem er seine Anhänger bei der Stange zu halten versucht, ist die neue Dialogpolitik der USA, die er als Ergebnis seines "heldenhaften Widerstands gegen die einzige Supermacht" für sich verbucht. Doch aller Propaganda zum Trotz hoffen Millionen Iraner auf einen Wechsel. Obamas Ruf nach "change", auch auf Englisch, ist im Iran auf Widerhall gestoßen.
Nur drei der mehr als 700 Bewerber um die Präsidentschaft kommen als ernsthafte Rivalen Ahmadinedschads in Betracht. Chancen, den Amtsinhaber in eine Stichwahl zu zwingen, werden allerdings nur einem eingeräumt: dem ehemaligen Ministerpräsidenten Mir Hossein Mussavi. Ernst zu nehmen sind ansonsten der ehemalige Parlamentspräsident Mehdi Karrubi und der frühere Kommandant der Revolutionswächter, Mohsen Rezai.
Ob Mussavi der richtige Mann für "change" ist, ist schwer zu sagen. Immerhin brachte er während seiner Amtszeit als Ministerpräsident von 1982 bis 1989, während des Krieges gegen den Irak, die Wirtschaft über die Runden. Aber gleichzeitig sorgte er mit dafür, dass die Opposition liquidiert wurde. Er war ein Zögling Ajatollah Chomeinis, behaftet mit der Ideologie der ersten Jahre der Revolution. 1989 zog er sich aus der Politik zu- rück und hüllte sich in Schweigen.
Seine Rückkehr in die Politik jetzt ist überraschend. Für jüngere Wähler ist er ein unbeschriebenes Blatt. Was er heute sagt, klingt vernünftig: Er wolle durch Verhandlungen die außenpolitischen Konflikte lösen, die Wirtschaft retten, die Sittenpolizei abschaffen und die Freiheit der Presse und der Meinungsäußerung sichern. Wieweit diese Ziele ernst gemeint sind und wieweit Mussavi im Falle seiner Wahl imstande wäre, sie zu realisieren, steht allerdings in den Sternen.
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