WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Folter in den Kellern der CIA
Glenn L. Carle weiß, wovon er redet, wenn er die Praktiken des US-Geheimdienstes anprangert. Schließlich war er 20 Jahre bei der CIA, und zuletzt war er Vize des National Intelligence Office for Transnational Threats, einer Abteilung zur Abwehr von die USA bedrohenden Gefahren.
Im Spätherbst 2002 erhält Carle den Auftrag, einen arabischen Geschäftsmann zu verhören, angeblich ein hochrangiger Al-Qaida-Mann. Es ist ein Job, auf den sich der altgediente CIA-Mann sogar freut. Wie er schreibt, weil er einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Terror leisten will. Captus, so der Codename des in Dubai verschleppten Mannes, wird in einem Geheimgefängnis (black site) bei einer befreundeten Macht eingesperrt. Abgeschottet von der Öffentlichkeit und vollkommen rechtlos. Er wird nach Carles Angaben dort „Druck und Zwang“ unterworfen, also Dauerbeschallung, Schlafentzug, Kälte, Isolation.
Carles Buch „Interrogator. In den Verhörkellern der CIA“ (Rowohlt, 2012) liest sich stellenweise wie ein Thriller – wären nicht die zahlreichen Schwärzungen, die der Geheimdienst aus „Sicherheitsgründen“ dem Autor auferlegte. Dass es bei „Interrogator“ um Tatsachen geht, hat dankenswerterweise der Lektor der deutschen Ausgabe im Nachwort hervorgehoben, das sich auf Recherchen verschiedener US-Medien stützt. Danach ist Captus der etwa 45-jährige Paschtune Haji Pacha Wazir, ein afghanischer Staatsbürger. Er betreibt ein Netz von Hawala-Agenturen, das sind traditionelle orientalische Gelddienstleister. Es ist ein informelles Kapitaltransfersystem, das auch zwielichtige Kunden anzieht. Die CIA ist überzeugt, eine Schlüsselfigur des Terrors gefangen zu haben. Für sie ist Wazir nicht mehr und nicht weniger als der Bankier von Ossama Bin Laden.
Es dauert sechs lange Jahre, bis sich die Bürokraten ihren Irrtum eingestehen und Captus freilassen. Wie weit Carle an Folterpraktiken letztlich beteiligt war, bleibt durch die Schwärzungen des Manuskripts im Dunkeln. Am Ende seines Textes fragt sich Carle: „Werden wir stark genug sein, nicht selbst zu den Dämonen zu werden, die zu bekämpfen wir vorgeben?“ Im Grunde hat der Autor diese Frage beantwortet: Nein.
■ Wolfgang Gast ist Redakteur der taz. Foto: privat