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Archiv-Artikel

WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT Das Lauschimperium

Als vor zwei Wochen bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) und die Bundespolizei FBI weltweit direkt auf die Server großer Internetfirmen zugreifen können, schlug die Stunde von Edward Snowden. Der 29 Jahre alte Computerexperte war in der US-Armee, arbeitete als technischer Assistent für die CIA und wurde anschließend vom Sicherheitsdienstleister Booz Allen Hamilton als Leiharbeiter an die NSA ausgeliehen.

Prism nennt sich das Programm, mit dem NSA und FBI auf die Datenserver großer Internetkonzerne zugreifen sollen. Snowden hat Dokumente, die das belegen, an die Medien „geleakt“. Seit dem 20. Mai hält er sich in Hongkong auf und hat sich als „Whistleblower“ geoutet (damit die Öffentlichkeit verfolgen kann, ob ihm etwas passiert). Ganz neu sind solche Berichte nicht, unbekannt waren aber Dimension und direkter Zugriff auf die Infrastruktur von Internetkonzernen.

Das FBI kennt man. NSA steht in der Öffentlichkeit dagegen für „no such agency“, denn lange Zeit weigerte sich die Regierung, die Existenz des Dienstes überhaupt zu bestätigen. NSA steht aber auch für „Never say anything“, eine Aufforderung an die Mitarbeiter des Überwachungsimperiums.

James Bamford, ein renommierter amerikanischer Journalist, hat mit „NSA. Die Anatomie des mächtigsten Geheimdienstes der Welt“ bereits vor zwölf Jahren (C. Bertelsmann, 2001) mit großer Akribie über Operationen der 1952 gegründeten Behörde berichtet. Er schrieb über die Rolle der NSA bei der Bespitzelung von US-Politikern ebenso wie über die vergebliche Warnung des Geheimdienstes vor einer Großoffensive des Vietcong im Vietnamkrieg. „NSA“ ist auch heute noch ein Buch voller Kuriositäten. Wie ein roter Faden zieht sich die Entwicklung neuer Technologien durch die Geschichte. Bamford schildert, wie Spionageschiffe der NSA ihre Antennen in den Himmel richteten, um vom Mond reflektierte Radiosignale aufzufangen. Oder wie NSA-Techniker ionisierende Wolken als Reflektoren einsetzten, um den Funkverkehr der Russen aufzuzeichnen.

Die NSA ist ein Superlativ. Der Etat beläuft sich auf zig Milliarden. Mit rund 40.000 Mitarbeiter beschäftigt sie mehr Personal als FBI und CIA zusammen. „Crypto City“, die Zentrale des Nachrichtendienstes im Bundesstaat Maryland, ist auf keiner Landkarte verzeichnet. Deren Mitarbeiter spenden jährlich aber an die 3.200 Liter Blut. Gegenwärtig wird gebaut. Für 2 Milliarden Dollar sollen Computersysteme errichtet werden, vorgesehen für die Speicherung eines kaum vorstellbaren Datenvolumens von 5 Billionen Gigabyte. Dank neuer Datenbanktechnologien („Big Data“) soll es möglich sein, solch gigantische Datenmengen auszuwerten. Die NSA ist und war immer ein Instrument der US-Präsidenten und der Hauptlieferant von Nachrichten, die Entscheidungen der US-Regierung maßgeblich beeinflussten. Bamford dokumentierte aber auch die Instrumentalisierung des Nachrichtendienstes. So überwachte Anfang der 70er Jahre die NSA sämtliche Telegramme, die von den USA aus ins Ausland verschickt wurden – unter Präsident Nixon erhielt die NSA den illegalen Auftrag, Gegner des Vietnamkrieges auszuspähen.

Auf die jüngsten Enthüllungen angesprochen, hat Bamford vor wenigen Tagen erklärt, er fühle sich angesichts der Monstrosität der Überwachung an die DDR erinnert, in der jedermann so lange als verdächtig galt, bis er seine Unschuld belegen konnte. Eine nette Pointe, die nicht wirklich verfängt. Die Stasi verstand sich auf Spitzeldienste und Denunziantentum – auf Informationstechnologien eher nicht.

Der Autor ist Redakteur der taz