WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : NSU, Aufklärung, Bürgerrecht
Wie gut, dass es das „Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit“ noch gibt, trotz finanzieller Sorgen und dem damit drohenden Aus für die Einrichtung. Eineinhalb Jahre nach Bekanntwerden der Mordserie der Zwickauer Terrorzelle namens Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und nach rund 30 Verhandlungstagen im Prozess gegen das NSU-Mitglied Beate Zschäpe scheint die Aufarbeitung des Skandals um die Ermordung der meist türkischstämmigen Kleingewerbetreibenden auf dem bestem Weg. Personelle Konsequenzen werden gezogen – zuletzt wird mit Thomas Haldenwang in der Kölner Verfassungsschutzbehörde ein neuer Vizepräsident berufen. Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sieht Erfolge – die angestrebte Reform des Verfassungsschutzes trage erste Früchte. Und die Konferenz der Landesinnenminister verständigt sich auf einheitlichere Standards bei der Führung von V-Leuten.
Auch parlamentarisch soll es Konsequenzen geben. In ihrem Abschlussbericht zum NSU-Untersuchungsausschuss fordern die Bundestagsabgeordneten eine gesetzliche Regelung, wonach der Generalbundesanwalt bei Kapitalverbrechen aus rassistischen Motiven früher als bisher eingreifen kann, weil diese Verbrechen künftig als „Angriff auf den Staat“ zu werten seien. So weit, so gut. So scheint es.
Zurück zum Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit, das Mitte der 70er Jahre unter der Leitung des Professors Wolf-Dieter Narr an der Freien Universität Berlin gegründet wurde. Heute ein gemeinnütziger Verein, gibt das Institut die Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/Cilip heraus, die sich seit 1978 den Themen der Inneren Sicherheit widmet. Im vergangenen Jahr diskutierte Cilip in der 100. Jubiläumsausgabe das Spannungsfeld zwischen Bürgerrechten und Staatsgewalt. In der aktuellen Doppelausgabe (Cilip 101–102, ISSN 0932-5409) lautet der Titel: Staatlicher Kampf gegen rechts? Damit wären wir wieder bei der Frage: Wie steht es um die Konsequenzen aus dem NSU-Ermittlungsversagen?
Um es kurz zu machen: Auf viel Gegenliebe stößt das staatliche Engagement bei den Autoren nicht. Jedes Jahr werden Menschen aus rassistischen, antisemitischen oder sozialdarwinistischen Motiven angegriffen und ermordet, heißt es in der redaktionellen Einleitung. Dies anzuerkennen wäre ein erster Schritt der Solidarität mit den Opfern und Hinterbliebenen. Ebendies sei den Familien der vom NSU ermordeten MigrantInnen versagt geblieben. Ganz im Gegensatz zu den Erfolgsmeldungen aus den Behörden und Ministerien lautet das nüchterne Fazit: „Die Politik der Inneren Sicherheit hat den NSU längst zu einem Betriebsunfall heruntergestuft und ist zu ihren alten Themen zurückgekehrt: Polizei und Geheimdienste sollen noch enger zusammenarbeiten, die Sicherheitsarchitektur wird weiter ausgebaut“. Nur gut, dass es diese Stimme noch gibt.
■ Der Autor ist taz-Redakteur