WOLFGANG BÖHMER MACHT DDR-RECHT FÜR BABYMORDE VERANTWORTLICH: Christlicher Überzeugungstäter

Wer den Prozess verfolgt, der gerade in Frankfurt (Oder) gegen eine Mutter neu aufgerollt wird, die ihre neun Kinder kurz nach der Geburt sterben ließ, der wird zu dem Ergebnis kommen, dass solche schrecklichen Taten nur schwer zu verstehen sind. Einzelschicksale wie das der 42-jährigen Sabine H. entziehen sich jeder eindimensionalen Erklärung. Zu behaupten, sie seien auf eine spezifische DDR-Mentalität zurückzuführen, ist mehr als dumm. Es ignoriert außerdem, dass solche Fälle auch im Westen Deutschlands vorkommen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer hat nun, als angebliches Erbe der DDR, eine „leichtfertigere Einstellung zum werdenden Leben in den neuen Ländern“ ausgemacht, die hinter den erschreckenden Fällen von Kindstötungen stehen soll. Das ist für sich genommen schon eine gewagte These. Das gilt auch für sein Argument, die „Fixierung auf den Staat“, die noch aus DDR-Zeiten stamme, sei schuld an den toten Kindern, die es in Ostdeutschland zu beklagen gebe, weil sie zur Aufgabe individueller Verantwortung führe.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich der praktizierende Christ Wolfgang Böhmer kritisch zum liberalen Abtreibungsrecht, das in der DDR herrschte, geäußert hat. Das macht die Sache allerdings nicht besser, sondern verdeutlicht lediglich: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident ist ein Überzeugungstäter. Indem er Abtreibungen in direkten Zusammenhang mit der Ermordung von Babys stellt, denunziert er den Schwangerschaftsabbruch generell. Insofern beleidigt sein Vorstoß nicht nur ostdeutsche Frauen. Es ist auch ein Affront gegen das bundesdeutsche Recht auf Abtreibung.

Wer wie Böhmer Kindstötungen als angebliches „Mittel der Familienplanung“ für manche ostdeutsche Mütter bezeichnet, entlarvt sich selbst als Hardliner. Denn damit stellt Böhmer, der vor seiner Zeit als Politiker lange als Gynäkologe arbeitete, den Schwangerschaftsabbruch – ein legales Mittel der Familienplanung – auf eine Stufe mit Babymord. Wer abtreibt, bringt auch Kinder um? Wer so etwas auch nur nahe legt, hat den Boden seriöser Politik verlassen. WOLF SCHMIDT