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Archiv-Artikel

WOCHENÜBERSICHT: BÜHNE Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Wo die anderen ihre Spielzeit gerade beenden, geht es im Prime Time Theater schon wieder los. Doch der Sommer wirkt sich auch hier auf den Spielplan aus. Und so kommt es, dass das lieb gewonnene Personal der Theatersoap „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“ sich auf geheimnisvolle Weise in Figuren aus Shakespeares Sommernachtstraum verwandelt, der im Wedding selbstredend „Eine Sommanachtstaraum“ heißt, weil man dort zu den Gepflogenheiten der Hochsprache ein eigenes Verhältnis pflegt. Arbeitsamtschefin Annemarie wird zur sächselnden Titania, aus dem bierbäuchigen, berlinernden Postboten Kalle wird der Feenkönig Oberon. Auch das stets betont schnöde Bühnenbild soll diesmal verzaubert sein. Von Zauber keine Spur ist in Slawomir Mrozeks groteskem Drama „Auf hoher See“, welches diese Woche auf dem Theaterschiff Potsdam zu sehen ist: ein Diskurs über das Fressen und Gefressenwerden. Ebenfalls nicht sehr freundlich geht es in Cristin Königs multimedialem Science-Fiction-Stück „Das blaue Meer“ zu, das uns in einer Voraufführung im Ballhaus Ost um 20.968 Jahre in die Zukunft versetzt. Eine Zeit, in der alle Wünsche automatisch erfüllt oder einfach ausradiert werden und das Leben auch sonst ziemlich unheimlich ist. Die Zeiten, als man von der Zukunft noch Gutes erhoffte, sind ja auch schon länger vorbei. Außer in der Neuköllner Oper vielleicht, wo in neuer Besetzung und auch sonst frisch poliert Thomas Zaufkes und Peter Lunds Kinder-Krieg-Musical „Babytalk“ wieder aufgenommen wurde, wobei sich der Begriff „Krieg“ im Titel eben nicht auf Krieg, sondern aufs Kinderkriegen bezieht. Allerdings werden hier weniger babyrosa Träume der Bundesfamilienministerin, sondern der Befund besungen, dass das Leben in unseren ego-zentrierten Zeiten gelegentlich doch ziemlich zukunftslos auf der Stelle tritt.

„Sommanachtstaraum“: Prime Time Theater, ab Fr.

„Auf hoher See“: Theaterschiff Potsdam, ab Fr.

„Das blaue Meer“: Ballhaus Ost, Voraufführung heute

„Babytalk“: Neuköllner Oper, 17./19./20./25./27./31. Juli