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Archiv-Artikel

WO DEUTSCHLAND FAVORIT IST Süßes Bier und wir

über Kunst, Rasen und Kanada

DORIS AKRAP

Es ist Samstag 16.30 Uhr, vor der Sportsbar „St. Louis“ in Ottawa gibt es noch ausreichend Plätze. Der Amateurfußballer Dickey hatte geraten hierherzugehen. Hier wären definitiv viele kanadische Fußballfans. Kurz vor Anpfiff des Eröffnungsspiels Kanada gegen China taucht eine im Stadion singende Frau im Fernsehen auf.

Vorberichte? Braucht hier offenbar niemand. Zwei Pärchen, die vor einem Fernseher sitzen, Tacos und riesige Krüge mit süßem Bier vor sich, schauen auf. Mädchen1: „Was ist da los?“ Mädchen2: „Frauen-WM“. Mädchen 1: „Oh“. Mädchen2: „Ja.“ Mädchen1: „Wer spielt?“ Mädchen2: „Die Deutschen, glaub ich. Die sind immer gut.“ Die Jungs sagen nichts. Sie wissen es auch nicht besser.

Der Ton der Fernseher ist aber auch sehr leise. Als die Kellnerin gebeten wird, es etwas lauter zu drehen, lächelt sie: „Ja, sicher. Sofort.“ Nach der dritten Bitte kommt tatsächlich etwas Ton.

Nach 20 Minuten dreht die Nachbarpizzeria die Boxen auf. Mexikanischer HipHop. Sehr laut. Stören tut das niemanden. Einer junger Kanadier hat sogar eine stattliche Kanadaflagge dabei. Er hält sie aber nur zweimal kurz hoch. „Uuuuuhhh“, rufen seine Freunde. „Steck das Ding weg.“ Drei Mädels tragen Haarreifen mit Ahornblatt-Fähnchen. Die Jungs ein Turin-Shirt, ein Barca-Shirt und ein Götze-Trikot. Der Mario-Fan ist Adriano, ein rumänischer Einwanderer. „Ich liebe das deutsche Team und FC Bayern.“ Auch die DFB-Frauen? „Natürlich. Die sind doch Weltmeister.“

Sofort nach dem Spiel schaltet der Sender in das Eishockey-Playoff Chicago Blackhawks gegen Timper Bay Lightning. Der Biergarten füllt sich, die Gäste kommentieren, jubeln, regen sich auf. Eine Patriotismusdebatte werden die hier sicher nicht führen. Aber über das Bild der Deutschen in Kanada muss man wohl schon noch mal reden.