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Archiv-Artikel

WO DAS LICHT FEHLT, MUSS MAN GENAU HINSEHEN. DER FOTOGRAF JERRY BERNDT IST EIN BEOBACHTER DER NACHT Gott ist eine Autonummer

„Prepare to meet thy god“ ist auf den Reservereifen gepinselt, der zum Kleinbus eines Straßenpredigers gehört. Jerry Berndt hat ihn fotografiert, 1999 in Los Angeles, ein Bild voller grotesker Details über missionarischen Willen und Botschaftswahn. GOD steht auch auf dem Nummernschild. Die Aufnahme gehört ebenso wie das hier zu sehende Foto von der Frau, die er in Queens, New York, in Kreuzeshaltung auf einer Rosette liegend beobachtet hat, zu seiner im Haus am Kleistpark zu sehenden Serie „Sacred“. Bilder von Gläubigen und Bekehrern, die eines mit den anderen, stets über mehrere Jahrzehnte fortgeführten Serien des Fotografen gemeinsam haben: Ihre Protagonisten sind immer einsam. „Combat Zone“ ist ein Streifzug durch die Nacht, die Bars, das Rotlichtmilieu, in dem Gesichter wie helle Flecken in der Dunkelheit brennen, die Spielautomaten stillstehen, die Taschendiebe sich langweilen, und die Frauen, die hochtoupiert im Diner warten, in dessen Licht wie in einer Blase eingeschlossen sind. Jerry Berndt, 1943 geboren und in der Bar seines Vaters in Milwaukee aufgewachsen, ist ein Mann der Nacht geblieben, er hellt sie nicht auf, er vertreibt sie nicht, er gibt sich ihr hin in seinen Bildern. KATRIN BETTINA MÜLLER

■ Jerry Berndt: „Sacred/Profane“, Haus am Kleistpark, Dienstag bis Sonntag 10–19 Uhr, bis 16. 12.