WESTAFRIKA BRAUCHT EIN REGIONALES KRIEGSVERBRECHERTRIBUNAL : Krieg ohne Grenzen
Die Kriege Westafrikas hängen zusammen. Aus Liberia heraus wurde Sierra Leone destabilisiert, aus Sierra Leone Guinea und aus Guinea wiederum Liberia, das seinerseits zur Eskalation des Bürgerkrieges in der Elfenbeinküste beitrug. Hinter diesem wiederum waren exilierte Militärs in Burkina Faso beteiligt. Und nun greifen Friedenstruppen aus Nigeria in Liberia ein. Kämpfer und Kommandanten ziehen von einem Land zum anderen, Geschäftsverbindungen und politische Allianzen laufen quer zu Staatsgrenzen. Keiner dieser Konflikte lässt sich im nationalen Rahmen lösen.
Aber alle Bemühungen zur juristischen Aufarbeitung von Kriegsverbrechen, zur Vergangenheitsbewältigung, Wahrheitsfindung und Wiedergutmachung für die Opfer finden allein auf nationaler Ebene statt. In Sierra Leone gibt es eine Wahrheitskommission, und ein UN-mandatierter Strafgerichtshof verfolgt die Kriegsverbrecher des Landes. Zu den Angeklagten zählt Charles Taylor, Präsident von Liberia, der Sierra Leones Rebellen unterstützt hat. Die Anklage gegen Taylor ist nicht nur juristisch umstritten und politisch destabilisierend, sondern auch ungerecht gegenüber seinen Opfern. Wenn Taylor irgendwo für Verbrechen geradestehen müsste, wäre es in Liberia selbst – zusammen mit seinen Rivalen unter den Warlords. Doch ein Liberia-Tribunal oder Ähnliches gibt es nicht. Ebenso merkwürdig ist das am Mittwoch beschlossene neue Amnestiegesetz der Elfenbeinküste. Es amnestiert Militärs wegen früherer Putschversuche; Kriegsverbrechen an sich bleiben jedoch ausgeschlossen, und nicht in den Genuss einer Amnestie kommen außerdem Ausländer – also zum Beispiel Milizionäre aus Liberia oder anderen Ländern. Auch in der Elfenbeinküste könnten also demnächst Liberianer vor Gericht stehen – aber nicht für Verbrechen in Liberia, sondern nur für die in der Elfenbeinküste.
Das einzige Land, wo Liberianer derzeit ungeschoren Kriegsverbrechen begehen können und nicht mit Strafverfolgung rechnen müssen, ist also Liberia selbst. Und selbst wenn sich das ändern sollte, würden trotzdem verschiedene Gerichtsbarkeiten mit unterschiedlichen Kompetenzen über zum Teil dieselben Täter urteilen müssen. Jedes Land würde eine andere Wahrheit ermitteln – das ist kein Beitrag zum regionalen Frieden.
Westafrika braucht dringend ein juristisches Instrumentarium, um seinen regionalen Kriegen auf Augenhöhe zu begegnen. Eine regionale Wahrheitskommission, die sich auch mit grenzüberschreitenden Söldnerrekrutierungen, Waffen- und Rohstoffgeschäften befasst, könnte die Grundlage bilden für ein regionales Tribunal, das nach einheitlichen Kriterien arbeitet. DOMINIC JOHNSON