WER STUDIENGEBÜHREN EINFÜHRT, MISSACHTET DIE IDEE DER UNIVERSITÄT : Student als Azubi
In der Hochschulpolitik herrscht derzeit das Windhundprinzip: Welcher Politiker macht am schnellsten Vorschläge, wie Studiengebühren eingeführt werden können. Das ob spielt keine Rolle mehr, nachdem das Karlsruher Verfassungsgericht die Juniorprofessoren gekippt hat – und dem Bund damit die Kompetenz in Sachen Uni abgesprochen hat. Wann das Verbot der Studiengebühren fallen wird, ist also eher eine Frage der Zeit. Damit fällt ein rot-grünes Symbol – und genau darum ging es den Klägern aus der Union ja auch.
Als SPD und Grüne antraten, sprachen sie noch emphatisch von Bildung als öffentlichem Gut, das nicht umsonst zu haben sei. Daher versprach Rot-Grün ein generelles Verbot von Unigebühren. Was folgte, war das Gegenteil: Edelgard Bulmahn und Konsorten untersagten lediglich Gebühren für ein rund zwölfsemestriges Erststudium – und machten Gebühren damit salonfähig. Jetzt, nachdem die Unionsländer geschlossen ein Gebührenmodell ankündigen, heißt die hilflose rot-grüne Reaktion: Weitermachen, auch wenn immer die Schwarzen gewinnen. Die grüne Fraktionschefin Krista Sager preist nun so genannte nachlaufende Studiengebühren als Rettung an. Das heißt: Gebühren sind okay – solange sie nach dem Studium anfallen.
Tausend Euro im Jahr werden so manchen Studierenden nur wenig schmerzen, sondern allenfalls deren gehobenen Sozialstatus bestätigen. Was schwerer wiegt, sind die Auswirkungen auf die Uni selbst. Wer Gebühren einführt, reduziert das Studium auf eine Berufsausbildung. Denn die Gebühren kann nur zahlen, wer vom Hörsaal umgehend an einen Arbeitsplatz wechselt.
So ändert sich die Idee von Universität. Ziel der Seminare ist nicht mehr Aufklärung, sondern Berufsfähigkeit. Das Ziel des bildungspolitischen Manövers ist, die Studienzeiten zu verkürzen. Wer lange studiert, bummelt, Bummeln aber passt nicht zum Standort. Ideen von Emanzipation und Selbstbestimmung sind „Gedöns“, die Vorstellung der Universität als kritischer Institution der Gesellschaft geht endgültig verloren. LENNART LABERENZ
Der Autor ist Student an der Berliner Humboldt-Uni