piwik no script img

Archiv-Artikel

WER GEGEN ATOMKRAFT IST, KANN DER EU-VERFASSUNG NICHT ZUSTIMMEN Verfassungsrang für AKWs

Skurril, aber möglich: Die entscheidenden Prozente für die Ablehnung der EU-Verfassung kommen von der in Frankreich spärlichen Anzahl von Atomkraftgegnern. So knapp, wie das Ergebnis am Sonntag werden soll, ist diese Konstellation nicht ausgeschlossen. Für die an Erfolgen arme französische Anti-Atom-Bewegung wäre dies ein großer Sieg.

Unabhängig von sonstigen Qualitäten der Verfassung: Wer den Kampf gegen die Atomkraft als zentralen Bestandteil seiner politischen Identität betrachtet, kann dem Vertragswerk kaum zustimmen. Es zementiert, was mit einer fortschrittlichen Energiepolitik nicht kompatibel ist: massivste Privilegien für die Atomkraft. Der Euratom-Vertrag von 1957, ein Konstrukt im Geiste der seinerzeit herrschenden energiepolitischen Blauäugigkeit, wurde zum Protokoll des Verfassungsvertrags erhoben und damit quasi zu seinem Anhängsel. Die Chance, mit der EU-Verfassung eine moderne Energiepolitik zu definieren, ist damit vertan.

So steht zum Beispiel im Euratom-Vertrag geschrieben, dass die europäische Kommission Atomunternehmen „Anlagen, Ausrüstungen oder die Hilfe von Fachkräften entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung stellen“ darf. Unternehmen der erneuerbaren Energien genießen diese Unterstützung nicht. Euratom regelt weiter eine drastische Bevorzugung der Atomkraft bei der Vergabe von Forschungsgeldern – seit Inkrafttreten floss dreiviertel der Energieforschungsgelder in die Atomkraft. Und auch die Errichtung neuer Reaktoren, etwa in Bulgarien oder Russland, könnte mit Euratom-Krediten unterstützt werden.

Wenn nun tatsächlich die EU-Verfassung an Frankreichs Referendum scheitern sollte, seien deren Urheber daran erinnert, was Umweltverbände schon vor zwei Jahren prophezeiten: Eine Aufnahme des Euratom-Vertrags werde bei Abstimmungen über den Vertrag entscheidende Prozente kosten. Dass man dabei eher an die traditionell atomkritischen Länder Dänemark und Irland dachte und nicht gerade an den internationalen Wortführer des Atomgeschäfts Frankreich, ist die Ironie der Geschichte. BERNWARD JANZING