WEDER DEMOKRATEN NOCH REPUBLIKANER HABEN EINE GUTE IRAK-STRATEGIE : Abzug der US-Truppen ist keine Lösung
Die neue Mehrheit der Demokraten im US-amerikanischen Kongress steht geeint für ein Ende des Irakkrieges. Das ist die eigentliche Nachricht der Abstimmungen am Mittwoch im Repräsentantenhaus und – so jedenfalls erwartet – gestern im Senat, mit denen die Bewilligung neuer Finanzmittel für die Kriege in Irak und Afghanistan mit dem Beginn eines Truppenabzugs aus Irak verbunden wird. Die Demokraten dürfen diese Einigkeit ihrer durchaus heterogenen Fraktion als politischen Erfolg verbuchen. Nur die Frage, wie und wie lange der Krieg im Irak weitergeht, ist nach den Abstimmungen so offen wie zuvor.
Es scheint das Problem des parteipolitisch polarisierten politischen Prozesses in Washington zu sein, dass die pragmatische Suche nach Lösungen im Irak nahezu unmöglich geworden ist. Präsident Bush verweigert sich nach wie vor der Debatte unter Hinweis darauf, welch fatale Folgen eine Niederlage hätte. Damit hat er womöglich sogar recht – nur wäre er der weltweit erste Kriegsherr, der eine Niederlage dadurch verhindert, dass er ihre Existenz leugnet. Die Demokraten ihrerseits sehen sich angesichts dieser Schlichtheit der Exekutive gar nicht mehr gefragt, wirkliche Strategien für einen Ausstieg vorzuschlagen. So ergeht sich der vorwahlkämpfende Kongress in Symbolpolitik und das Weiße Haus im Durchhalten – verantwortliche Politik ist das von beiden Seiten nicht.
Damit steuern die USA auf eine Situation hin, in der es irgendwann tatsächlich egal ist, ob ihre Truppen aus dem Irak abziehen oder nicht. Derzeit noch ist zumindest eine kleine Hoffnung berechtigt, die USA könnten ihr militärisches mit einem politischen Engagement in der Region begleiten, das nicht nur neue Pariahs schafft, sondern tatsächlich wenigstens im Irak für Ausgleich und Befriedung sorgen könnte. Nur dann wäre die Truppenpräsenz noch zu rechtfertigen.
Sicher, jenseits der konkreten Situation vor Ort ist die Antikriegsstimmung in den USA nur zu begrüßen – möge sie doch dazu beitragen, die Begeisterung für Militäroptionen künftig rechtzeitig einzudämmen. Nur die Iraker haben davon nichts. Ihnen gegenüber stehen die USA in der Verantwortung. Abzug allein ist keine Lösung. BERND PICKERT