: Vorspann: Die Lehre der KP-China von den zwei Glockenschlägen
Der folgende Text der bedeutsamen Rede wurde am 28. Mai an Pekinger Studenten und Intellektuelle weitergegeben und erschien einen Tag später als Wandzeitung in der Nähe des Pekinger Partei- und Regierungssitzes. Es soll sich um die überarbeitete Fassung einer Rede vom 24. Mai handeln, die Staatspräsident Yang Shangkun (82) in einer Krisensitzung der ZK-Militärkommission vor Armeekadern gehalten hat. Der Text wurde höheren Parteifunktionären als neue Linie im Kampf gegen die Reformer zugestellt. Politische Beobachter zweifeln nicht an der Authentizität des Schreibens. Die Rede stellt offenbar den Auftakt zu einer großangelegten Säuberung gegen Intellektuelle und Regimekritiker dar. Erstmals wird darin bestätigt, daß der Sturz von KP-Chef Zhao Ziyang von den Veteranen der Partei beschlossen wurde. Auswirkungen auf die Wirtschaftsreform sind damit auch zu erwarten.
Staatspräsident Yang Shangkun galt bisher als enger Vertrauter von Chinas starkem Mann Deng Xiaoping und reformorientiert, wenn es um Westöffnung und Wirtschaftsreform ging. In den letzten Jahren war er der König in Dengs Rocharde, um seine konservativen Widersacher auszuschalten und die Partei auf mittlerer Ebene zu verjüngen. Ähnlich wie Deng aber hat Yang politische Reformen stets als Machtverlust der KPCh verworfen und am Festhalten der „Vier Prinzipien“ der Partei (dem sozialistischen Weg, Führung durch die Partei, Diktatur des Proletariats und dem Marxismus-Leninismus sowie der Mao -Zedong-Idee) bestanden. Der Aufstieg des alten Mannes ins höchste Staatsamt sollte 1987 eigentlich dokumentieren, daß die Reformer in Staat und Partei alle Schalthebel in Händen halten. Unter politischen Beobachtern bestand aber in den vergangenen Tagen kein Zweifel daran, daß der Staatspräsident die Hardliner-Politik Li Pengs mitgetragen und versucht hat, das Militär auf das Kriegsrecht einzuschwören.
Wir übernehmen Auszüge der Rede aus der französischen Tageszeitung 'Liberation‘ vom Dienstag.
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