Vor Erfolg strotzend - zuletzt als Rüstungsmanager

Alfred Herrhausen war das intelligenteste Symbol des bundesdeutschen Unternehmertums / „Kritische Aktionäre“: „eine profilierte Persönlichkeit“  ■ N A C H R U F

Die Ansicht, Wirtschaftsführer seien schlicht austauschbar, ist so falsch nicht. Wenn sie jedoch auf einen nicht zutraf, so war es Alfred Herrhausen. Und es sieht so aus, daß der Killer hier nicht nur den mächtigsten Mann der bundesdeutschen Unternehmerschaft treffen wollte, sondern auch ihr intelligentestes Symbol. Durch sein smartes, gleichwohl größte Sicherheit und eloquentes Auftreten strahlte er auch auf manche Linke aus - trotz größter Finanzengagements in Bereichen, die auf dem Index ganz oben stehen: Südafrika, Rüstung und Drittwelt-Verschuldung.

Und in dem gar nicht so falschen Eindruck vieler, Herrhausen sei doch der eigentliche Bundeskanzler, schwang zuweilen kaum verhohlene Faszination mit - zumindest bei jenen, die ihn einmal persönlich kennengelernt hatten. Für die „Kritischen Aktionäre“, die seit Jahren auf den Hauptversammlungen eine leidenschaftliche und öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung mit der Politik der Deutschen Bank führen, war Herrhausen immerhin eine „profilierte Persönlichkeit“, die „sich unserer Kritik gestellt“ hat. Nicht gerade der Idealtypus eines Feindbildes, den etwa ein Hanns-Martin Schleyer abgeben hätte, würde er das Wirtschaftsimperium des Landes mit dem Jahresumsatz eines Bundeshaushalts lenken, und seine Finger in ungezählten Unternehmen haben.

Bedeutsam für sein Image war seit zwei Jahren, daß der Deutsche-Bank-Chef zur Verschuldungskrise Unkonventionelles entworfen hatte: Zuletzt kam dabei ein äußerst detaillierter Plan zum Erlaß von bis zu 50 Prozent der Bankenschulden heraus, an dem sich seine Branchenkollegen zu reiben hatten. Ob Herrhausen lediglich konkurrenzbedingt gehandelt hatte, oder ob hier Profilierungswünsche eines Mannes maßgeblich waren, der mehr sein wollte, als ein gemeiner Banken-Boß, war dabei letztenendes nicht entscheidend. Entscheidend war, daß er Erfolg damit hatte - für seine Person. Erfolgreich, gut aussehend und fast noch Yuppie - Er war ein Star des Zeitgeistes der 80er Jahre, unbewußt sicherlich auch an so manchem Szenestammtisch. Wer auch immer über die Geschäftspolitik seines Unternehmens sprach, setzte sich mit ihm auseinander. Wer sonst konnte das als bundesdeutscher Unternehmer noch von sich behaupten? Seine Vorgänger Christians, Ullrich und Guth jedenfalls nicht, ebenso nicht seine Konkurrenten Röller von der Dresdner oder Seipp von der Commerzbank, eher Erscheinungen erfolgreicher mittelständischer Bauunternehmer. Einige DDR -Wirtschaftsfachkräfte, die sich gestern in West-Berlin aufhielten, waren betroffen: „Wer soll jetzt unsere neuen Telefonanlagen finanzieren?“ Selbstverständlich zeigten auch sie sich auf Nachfrage negativ berührt vom Duktus des Spiegel-Interviews vor einer Woche. Herrhausen hatte darin recht unverhohlen der Vereinnahmung der DDR das Wort geredet.

Der Mann strotzte derart vor Erfolg, daß er damit seinen Erfolg absichern konnte: Die Deutsche Bank konnte vor zwei Jahren an seiner Person nicht vorbei, auch und gerade weil er das Tabu des Banken-Schuldverzichtes gebrochen hatte. Damit schaffte er in noch anderer Hinsicht Ungewöhnliches: Mit ihm wurde ein Vorstandssprecher seit längerem zum ersten Mal wieder alleiniger Chef des Hauses, obwohl er - ebenfalls außergewöhnlicherweise - nicht in der Deutschen Bank groß geworden war. Damit war seine steile Karriere auf dem Gipfel - in die Bundesregierung wollte er nur in der taz übersiedeln - am 1. April.

1930 geboren und erzogen in einer Begabtenschule der NS -Zeit (Napola“) wollte Herrhausen ursprünglich Lehrer werden, begeisterte sich unter dem Einfluß eines katholischen Geistlichen für Philosophie, fand aber keinen Studienplatz und begann dann - wie er stets betonte: aus Trotz - ein Witschaftsstudium. Diplom mit 22, anschließend Promotion. 1952 begann er bei der Ruhrgas AG, wechselte 1955 zu VEW, hatte mit 29 Jahren Prokura und zog 1967 in den Vorstand ein. 1969 Wechsel zur Deutschen Bank. Nebenbei noch an der Dortmunder Sozialakademie einen Lehrauftrag und entwarf 1982 als einer der drei „Stahlmoderatoren“ für die Bundesregierung ein Konzept für eine ganze Branche - sein letzter Flop: Das Konzept wurde nie realisiert. Dafür gehörte ihm zuletzt nahezu fast eine ganze andere Branche: Mit Daimler und MBB die Rüstung. Bei der Zusammenlegung führte er selbst erfolgreich Regie.

Ulli Kulke