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Archiv-Artikel

Village Voice Zwei Mal die Vierte: soziopolitisch zynisch mit Pigor & Eichhorn und bittersüß boshaft bei Malediva

Pigor singt, Benedikt Eichhorn muss begleiten: „Volumen 4“ Roof Music

Okay, die Titel „Modehauptstadt“ und „Comedy-Metropole“ sind noch nicht sicher, in Sachen Neues Deutsches Chanson aber darf sich Berlin unangefochten als nationales Zentrum betrachten. Nach den unzähligen Wiedergängern von Brecht/Weill, Hollaender & Co. hat sich in den vergangenen zehn Jahren eine neue Generation des musikalischen Kabaretts herausgebildet, welche das Genre nicht einfach nur wiederbelebt, sondern entscheidend fortentwickelt und dabei neues Liedgut geschaffen hat, welches auch in die Repertoires anderer Interpreten übergehen wird.

Bei Pigor & Eichhorn ist dies schon der Fall. Ein Gradmesser, wie groß die Überlebenschance eines Chansons auch isoliert außerhalb eines durchkomponierten Bühnenprogramms ist, ist immer noch die CD-Einspielung. Der Sänger/Texter Thomas Pigor und sein Komponist/Pianist Benedikt Eichhorn haben sich bei „Volumen 4“ für eine reine Studioeinspielung entschieden. Das hat den Vorteil, dass sie ihre 14 neuen Songs dank Gästen musikalisch breit gefächert zwischen jazziger Lounge und funky Tönen in Form bringen konnten. Pigor/Eichhorns Domäne aber ist immer noch der von ihnen kreierte Salon-HipHop: Lange Textkaskaden werden, bisweilen in atemberaubendem Sprechtempo, mit Verzicht auf Versmaß, festem Rhythmus und Reimschema durchkomponiert, wie bei der Sammlung skandalträchtiger „Historischer Vergleiche“ mit Goebbels, Trotzki und Eva Braun aus dem Munde von Herta Däubler-Gmelin über Schröder bis Kohl und Lafontaine. In solchen Momenten zeigt sich die besondere und nachhaltige Qualität von Pigor & Eichhorn: Ihre Lieder erfassen den Zeitgeist, ohne sich mit tagesaktuellem Witz zu begnügen. Ihr Blick in den bundesdeutschen Alltag ist ein soziopolitischer. Zynisch und gemein, und vor allem: intelligent und sprachgewandt.

Wie ein Gegenpol erscheint da Malediva. Wie Pigor & Eichhorn hat auch dieses musikkabarettistische Männertrio mittlerweile ziemlich alle verfügbaren Preise ihres Metiers abgeräumt. Auch sie legen mit „Heimatmelodie“ (Roof Music) ihre vierte CD vor, ein Livemitschnitt aus dem Unterhaus Mainz. Wo Pigor und Eichhorn mit lasziver Fiesigkeit und genauem Blick auf die Realitäten gesellschaftliche Phänomene sezieren, herrschen bei Malediva bittersüße Boshaftigkeit und ins Poetisch-Absurde abdriftende Grotesken vor. Ihre Moderationen haben es tatsächlich verdient, in Gänze auf CD verewigt zu werden, sind es doch fein geschliffene Geschichten, deren Pointen bisweilen schwärzesten Humor offenbaren. In „Heimatmelodie“ sind es die Jugenderinnerungen an ein Leben auf dem Land zwischen Bolzenschussgerät, Schweinen, die man beim Namen nennen kann, und Martina, die davon träumt „Superstarschnittsuperstar“ zu werden. Maledivas Songs hingegen, gerade wenn sie in poetische Balladen die absteigenden Stufen einer Liebe zwischen Verlassenwerden und aufkeimendem Hass besingen, sind berührende Popsongs, die in einer besseren Welt längst in den Charts stünden. Und nicht nur auf dieser CD überdauern werden. AXEL SCHOCK