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Verfassungsschutz knöpft sich Jungnazis vor

Bundesweit haben sich einige neue rechtsextreme Gruppen gegründet. Nun beobachten die Verfassungsschutzämter diese intensiver. Und zwar nicht nur in Ostdeutschland

Von Konrad Litschko

Es sind nicht nur die „Reichsbürger“. Seit Monaten beschäftigen die Sicherheitsbehörden auch junge rechtsextreme Gruppen, die sich seit vergangenem Sommer bundesweit gründeten. Sie nennen sich „Deutsche Jugend Voran“, „Jung und Stark“ oder „Letzte Verteidigungswelle“. Immer wieder fielen sie bei Anti-CSD-Protesten auf, zuletzt auch mit Gewalttaten. Nun intensivieren mehrere Verfassungsschutzämter ihre Beobachtungen.

Berlins Verfassungsschutzchef Michael Fischer gab am Montag die Einstufung der „Deutsche Jugend Voran“ als gesichert rechtsextremer Bestrebung bekannt, als Teil einer „gewaltorientierten rechtsextremistischen Netzkultur“. Berlins Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) warnte vor dem Entstehen einer neuen Jugendkultur, von „sehr jungen, sehr gewaltaffinen Personen“. Sie würden Hass auf Andersdenkende propagieren, verherrlichten die Anwendung von Gewalt.

Nach taz-Informationen hat auch das Bundesamt für Verfassungsschutz die Gruppen im Blick. „Jung und Stark“ und „Deutsche Jugend Voran“ wird dort eine „rechtsextremistische Agitation“ vorgeworfen. Fokussiert werden Feindbilder wie das der Antifa, der queeren Community oder Migrantinnen und Migranten.

Beide Gruppen seien „dynamische, mobilisierungsfähige rechtsextremistische Gruppierungen“. Sie würden „junge, internetaffine, aktionsorientierte bis hin zu gewaltorientierten Personen“ anwerben und vernetzen.

Auch Brandenburgs gerade entlassener Verfassungsschutzchef Jörg Müller hatte vor der sehr jungen Szene gewarnt, die an die Skinhead-Bewegung der neunziger Jahre erinnere und gewaltbereit sei. Das Landesamt rechnet „Jung und Stark“, „Deutsche Jugend Voran“ und der „Letzten Verteidigungswelle“ jeweils Mitglieder im niedrigen zweistelligen Bereich zu.

Der Verfassungsschutz Sachsen hat die drei Gruppen ebenso im Blick, attestiert ihnen eine „stark informelle Struktur“, eine „hohe Aktionsorientierung“ und Gewaltaffinität. Zum Teil gelängen ihnen „hohe Mobilisierungserfolge“. Mit ihrer Ansprache auch an Minderjährige zielten sie auf eine „besonders vulnerable“ Gruppe. Man beobachte die Gruppen „sehr aufmerksam“.

Bereits im November hatte der sächsische Verfassungsschutz die „Chemnitz Revolte“ als gesichert rechtsextrem eingestuft. Im Januar hatten diese versucht, eine alternative Bar in Chemnitz zu stürmen – worauf es zu Razzien kam. Ebenso eingestuft sind die Gruppen „Urbs Turrium“ aus Bautzen, die „Natio­nale Jugend Görlitz“, „Stolze Nationalisten Sachsen“ aus Dresden oder die „Aryan Peoples Resistance“ aus Leipzig. Gleiches gilt für die Ableger der „Jungen Nationalisten“, der Jugendgruppe der „Heimat“, einst NPD – inklusive ihrer zuletzt sehr aktiven Dresdener Ortsgruppe „Elblandrevolte“.

Das Phänomen ist indes kein rein ostdeutsches. Auch in Bayern sieht der Verfassungsschutz „Jung und Stark“ aktiv. Auch hier seien CSDs gestört worden, Mitglieder hätten auch eine Regenbogenflagge angezündet und sich dabei gefilmt. Das Landesamt spricht von „verstärkt radikalisierten jugendlichen Einzelpersonen“.

Und der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen attestiert den Gruppen „Jung und Stark“, „Deutsche Jugend Voran“ und „Der Störtrupp“ ein „aggressives Auftreten“ auf der Straße und einen „gewaltbefürwortenden Diskurs“ auf Social Media. Die Gruppen hätten die rechtsextreme Szene – entgegen dem Trend der Vorjahre – verjüngt, es sei eine Zunahme des Gewaltpotenzials zu befürchten. Und die Gruppen mobilisieren bereits zum nächsten Aufmarsch: am Samstag in Herford.

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