Ver.di und die Streiks : Zwischen Rhetorik und Realität
Frank Bsirske tat gestern viel entspannter, als er es zur Zeit sein kann. Tausende reisen aus ganz Deutschland zum Demonstrieren in den Norden, der ver.di-Chef setzt auf Kampfrhetorik – und erklärt ganz nebenbei, die Sondierungsgespräche im fernen Saarland seien ein „Signal“ dafür, dass der Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst nach gut acht Wochen in die Zielgerade einbiegt.
Kommentarvon KAI SCHÖNEBERG
Tatsächlich steht die einstmals größte Gewerkschaft der Welt – und fast noch mehr ihr Chef – mit dem Rücken zur Wand: Heute beginnen die Urabstimmungen der Mitarbeiter der Kommunen über ein Streikende. Mit den beiden absehbaren Einigungen in Niedersachsen und Hamburg hat sich ver.di in eine Zwickmühle bewegt. Es ist schön, wenn die Kinder wieder zur Kita gehen können und die Müllkutscher die Abfälle wieder von der Straße fegen. Aber das Drohpotenzial ist mit dem Ende des Ausstands auf kommunaler Ebene quasi aufgebraucht.
Denn wen juckt es, wenn die Landesbediensteten in den Straßenmeistereien oder Uni-Kliniken mal Pause machen? Mit dem angekündigten Ende des Ausstands tut Bsirske deshalb der eigenen Sache einen Riesen-Gefallen. Fatal wäre, wenn die Länder die offensichtliche Schwäche der Gewerkschaftsoberen ausnützten: Die nächsten Tarifverhandlungen kommen bestimmt.