Vattenfall kriegt Sommerfrost

Nach stundenlangem Stromausfall am Hafenrand drohen Gastronome und Fischhändler dem Energieversorger mit Schadensersatzforderungen. Der Konzern spricht von ungewöhnlichem Pech

„Die meisten Gäste kommen jede Woche her. Und plötzlich kann ich nur kalte Suppe anbieten“

Von Sven-Michael Veit
und Lucas Vogelsang

Die Fischfrau zieht an ihrer Zigarette und macht ihrem Ärger Luft: „Das hat das ganze Geschäft versaut. Ich konnte gestern kein einziges Brötchen verkaufen und keinen Backfisch warm machen.“ Etwa 350 Euro habe sie bei dem Stromausfall verloren, der am Dienstag zwischen 12 und 18 Uhr die Große Elbstraße in Altona lahmlegte.

Nebenan im portugiesischen Fischrestaurant „Casa Madeira“ sind die beiden Kellner gestern Mittag noch immer wütend: „Den Leuten von Vattenfall ist es anscheinend egal, ob wir hier kaputt gehen.“ Bis zu tausend Euro hätten sie eingebüßt, kein einziger Gast konnte am Dienstag bedient werden. Dementsprechend fordert das Restaurant Wiedergutmachung. „Das Personal musste weiter bezahlt werden. Dieser Tag hat richtig Geld gekostet. Für den Schaden muss Vattenfall aufkommen. Wir werden rechtliche Schritte einleiten.“

Jobst Bühler vom „Beachclub del mar“ berichtet, wie „wir immer wieder vertröstet worden sind, während uns das Eis im Wert von über tausend Euro weggeschmolzen ist“. Immer wieder hätten die Verantwortlichen des Stromkonzerns neue Zeiten rausgegeben. Nach zwei Stunden Ungewissheit hat er das Eis an Kinder verschenkt, um die Stimmung im Club zu retten.

Das sei „extrem unglücklich gelaufen“, räumt Ivo Banek ein, Pressesprecher von Vattenfall Europe Hamburg, wie die Hamburgischen Elektrizitätswerke als Tochter des schwedischen Energiekonzerns „Wasserfall“ seit Jahresbeginn heißen. Der Grund sei ein Schaden an einer „Reserveleitung“ gewesen.

Bereits am Montag war die Gegend von einem kurzzeitigen Stromausfall betroffen. Der wurde durch eine „Umleitung“ zu einem zweiten Erdkabel behoben. Tags darauf aber ging dieses auch zu Bruch. „Ungewöhnliches Pech“ sei das, findet Banek. Ursache könnte ein so genannter Sommerfrost sein. Lang andauernde Hitze trockne den Erdboden aus. Wenn der sich zusammenzieht, könne schon mal ein unterirdisches Kabel beschädigt werden. Ob das in diesem Fall als Ursache zutreffe, sei aber noch nicht geklärt: „Wir suchen gerade die Schwachstelle, und dann schauen wir nach, was da los ist.“

Die Großhändler vor Ort versöhnt die Spurensuche von Vattenfall kaum. Allein Hummer-Pedersen hat 1.000 Schalentiere verloren, weil die Sauerstoffpumpen in den Becken ausgefallen und die Tiere erstickt sind. Viele kleine Fischhändler mussten bei bestimmten Waren bis zu 30 Prozent im Preis runtergehen, da durch fehlende Kühlung die Qualität gelitten hatte.

Im Feinkosthandel Goedecken hat man zwar keinen Fisch verloren, aber der Vertrieb war stundenlang lahm gelegt. Stamm- und Großkunden konnten nicht beliefert werden. „So etwas ist wie eine Kettenreaktion“, sagt Geschäftsführer Jörn Noack: „Da bist du tot.“

Etwaige Schadensersatzforderungen werde Vattenfall „genau prüfen“, erklärt Banek. Im Grundsatz sei der Stromerzeuger „nur bei schuldhaftem Verhalten haftbar“, nicht bei höherer Gewalt wie Natureinwirkungen. Bei dem Tornado am 28. März über Harburg habe Vattenfall sich gegenüber den Betroffenen „aber kulant“ gezeigt, „obwohl wir dafür nun wirklich nichts konnten“.

Die meisten Firmen hätten Notstromaggregate und seien für solche Fälle selbst versichert. Wenn Regressforderungen an Vattenfall gerichtet würden, was gestern Nachmittag noch nicht der Fall war, „werden wir mit den Leuten reden und eine Lösung suchen“, versichert Banek. Von einer Häufung an Störfällen könne „keine Rede sein“, möchte er denn doch festgehalten wissen. Statistiken würden belegen, dass „Hamburg und Berlin die besten Werte bei der Stromversorgung in ganz Europa haben – und das seit Jahren konstant“.

Über diese Statistik kann der Besitzer des Fischereihafen-Restaurants, Rüdiger Kowalke, nur müde lächeln. Für das exklusive Fischrestaurant bedeutete der Blackout in der Mittagszeit eine „mittlere Katastrophe.“ Lebensmittel im Wert von über 10.000 Euro mussten entsorgt werden. Die Küche blieb kalt, statt Forelle und Dorsch gab es Sushi und Gaspacho. Auch wenn die Gäste Verständnis zeigten, sieht Kowalke einen herben Imageverlust. „Die meisten Gäste kommen hier jede Woche her. Und plötzlich kann ich denen nur kalte Suppe anbieten.“

Während auch er ankündigt, „den Schaden bei Vattenfall geltend zu machen“, kommt Eva Hermann von der „Tagesschau“ herein. Setzt sich an einen der Tische und bestellt kein Sushi.